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Drogenfahnder auf den Straßen

Von Richard E. Schneider

Wissen

Bis zu zehn Drogen sind mit einem einzigen Speichel-Test zu erkennen.


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Tübingen.

Ein Speichel-Schnelltest-Set. Der Reader mit dazu gehörender Software kann Rauschmittel erkennen und deren Konzentration genau berechnen.

Mit einem biotechnologischen Speicheltest, der rasch und gleichzeitig zehn verschiedene Drogen erkennt, gelang dem jungen schwäbischen Biotech-Unternehmen Matest Systemtechnik aus Mössingen ein europaweit anerkannter Erfolg. Seine zufriedenen Käufer sind Polizeibehörden in Frankreich, Italien und Spanien. Die Optimierung des Geräts "Rapid Stat" wurde vom deutschen Bundesforschungsministerium über drei Jahre finanziell unterstützt.

Mit dem Speicheltest können nicht nur gleichzeitig zehn gängige Drogen wie Amphetamine, Kokain, Ecstasy, Opiate (wie etwa Heroin) oder der Wirkstoff THC (in Haschisch und Marihuana enthalten) nachgewiesen, sondern auch deren Konzentrationen präzise bestimmt werden.

Im Herbst 2012 wird der Speichel-Test für alle zehn Drogen verfügbar sein. Derzeit können damit sieben anstatt wie bisher sechs Rauschmittel detektiert werden. Die Polizeibehörden von Nordrhein-Westfalen (NRW) setzen diese Testsets bereits bei Verkehrskontrollen ein. "Rapid Stat" liefert deutlich mehr richtig-positive Resultate und viel mehr Autofahrer müssen anschließend ihren Führerschein abgeben.

Nächtliche Roadside-Tests an der Seite der Polizei 

Ein Rapid Stat-Schnelltest funktioniert wie folgt: Dem Probanden wird nach dessen Einverständnis ein Wattestäbchen in den Mund geschoben und damit hinter seiner rechten und linken Wange Mundflüssigkeit aufgenommen. Die Speichelprobe wird danach in ein Wasser enthaltendes Plastikröhrchen gegeben und mit Chemikalien vermischt. Nach etwa acht bis zehn Minuten kann auf den mit Antikörpern beschichteten Papierstreifen, auf die die verdünnte Speichelprobe tropfenweise aufgebracht wurde, abgelesen werden, ob und welche Rauschmittel im Speichel vorhanden sind. Der angeschlossene Reader mit Software teilt entsprechend der Geschwindigkeit und der Intensität, mit der sich der Teststreifen verfärbt, die Konzentration des Rauschmittels mit. Diese wird in Nanogramm pro Milliliter angegeben. Die Nachweisgrenze liegt bei 0,3 Nanogramm. Der Test beruht auf Antikörpern gegen die verschiedenen Drogen.

Seit letzten August verfügt das Innenministerium von NRW über die neuen, weltweit einzigartigen Testsets. Zu Kokain, Ecstasy, THC in Marihuana und Haschisch, Amphetaminen und Opiaten kamen jetzt die Benzodiazepine, also Beruhigungsmittel. Allein in Duisburg wurden bei Verkehrskontrollen von Anfang Jänner bis Ende August 2011 insgesamt 137 Personen des Drogenkonsums hinter dem Steuer überführt, teilte die Pressestelle der Polizei mit.

Die Zahl der Personen, die im gleichen Zeitraum überhöhte Alkoholpegel hinter dem Steuer aufwiesen, lag zwar doppelt so hoch, doch der Abstand zwischen Drogen- und Alkohol-Abusus verringert sich zusehends. Im Gesamtjahr 2010 waren in Duisburg nur 93 Autofahrer wegen Drogenkonsums aus dem Straßenverkehr gezogen worden.

Auch im Ausland werden die sicheren Speichel-Schnelltests aus Deutschland geschätzt. Die französische Polizei und die Gendarmerie wissen, dass damit die Aufklärungsquote deutlich ansteigt. So nahm in Frankreich die Zahl der wegen Drogenkonsums einbehaltenen Führerscheine von 12.640 (2008) auf 20.968 (2009) zu. Im Jahr 2010 wurden in Kooperation mit dem französischen Fernsehsender TF 1 von der französischen Polizei bei nächtlichen Verkehrskontrollen rund 41.000 Speicheltests durchgeführt, wobei bis zu 35 Prozent der Probanden positiv getestet wurden (80 Prozent davon auf Cannabis, 15 Prozent auf Kokain).

Matest-Mitarbeiter führten eigene "Rapid Stat"-Tests durch. So im Dezember 2010 in einem Coffeeshop in Amsterdam bei rund 80 Freiwilligen und 2009 bei der Anfahrt zur Raver-Party "Nature one" in Trier (213 freiwillige Probanden). Um festzustellen, wie akkurat die Speicheltests sind, wurden die Ergebnisse mit den entsprechenden Resultaten von Gaschromatografie-Massenspektroskopien der Universität Mainz verglichen.

Rechtsmediziner Jörg Röhrich aus Mainz bezifferte im "Journal of Analytical Toxicology" im März 2010 für Amphetamine die Spezifität und Sensitivität von "Rapid Stat" auf exzellente 92 und 96 Prozent, bei THC (Haschisch und Marihuana) auf 88,9 beziehungsweise 90,9 Prozent.

Die Spezifität gibt den Anteil der korrekt als negativ klassifizierten Objekte an der Gesamtheit der in Wirklichkeit negativen Objekte an, die Sensitivität den Anteil der korrekt als positiv klassifizierten Objekte an der Gesamtheit der tatsächlich positiven Objekte. Im Vergleich mit Blutproben liegen diese Werte jedoch niedriger.