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EuGH-Gutachten: EU-Verordnung ungültig, Ziel unklar. | Unverhältnismäßige Verletzung von Grundrechten. | Brüssel/Luxemburg. Das Brüsseler Prestigeprojekt für volle Transparenz bei der Verteilung der mehr als 50 Milliarden Euro schweren EU-Agrarförderungen könnte bald gekippt werden. Denn die Rechtsgrundlagen für die Veröffentlichung der Mittelempfänger im Internet seien ungültig, befindet Eleonore Sharp-ston, die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), in ihrem am Donnerstag vorgestellten Rechtsgutachten (C-93/09). | ,Das hat keinerlei Auswirkungen auf die österreichische Transparenzdatenbank´
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Zwar dürften die Grundrechte zu einem gewissen Grad eingeschränkt werden, wenn das einem gesellschaftlichen Erfordernis in einer Demokratie entspricht. Doch dieser eindeutige Eingriff in das Recht auf Privatsphäre und den Schutz personenbezogener Daten sei unverhältnismäßig, weil die EU-Verantwortlichen nicht erklären haben können, welches Ziel die EU-Regelung überhaupt haben soll. Und nur am Ziel könne die Verhältnismäßigkeit gemessen werden.
Klage wegen Verstoßes gegen den Datenschutz
Konkret haben zwei landwirtschaftliche Betriebe in Hessen gegen die Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten als Empfänger von EU-Agrarförderungen geklagt, von denen einer gut 64.000 Euro und der andere etwas mehr als 6000 Euro erhalten hatte. Namen, Ort, Postleitzahl und bewilligte Beträge sind öffentlich im Netz abrufbar.
Dabei handle es sich um einen Verstoß gegen das EU-Datenschutzrecht und nicht um Informationen von allgemeinem Interesse, führten die Kläger an. Das Land Hessen berief sich auf die gültige EU-Verordnung, welche die Veröffentlichung aller Landwirtschaftsförderungen explizit vorschreibt. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat den EuGH um Klärung gebeten.
Und die entsprechende EU-Verordnung könne wegen der verschwommenen und widersprüchlichen Ziele "unmöglich gültig" sein, schreibt Sharpston. Denn sollte das Ziel eine öffentliche Debatte über die Zuteilung der Förderungen anstoßen, wie die EU-Kommission behauptet, sei eine zusammenfassende Darstellung nach gewissen Merkmalen von Betrieben geeigneter. Sollte es sich um die öffentliche Kontrolle und Eindämmung von Betrug handeln, wie die Vertreter der Mitgliedstaaten behaupten, sei zumindest eine Untergrenze für die veröffentlichten Förderzuteilungen einzuziehen. Doch die Präsentation von "Rohdaten, die nicht gruppiert oder zusammengefasst" sind, ohne Gliederung nach einem womöglich für die Öffentlichkeit interessanten Merkmal, erfülle kein erkenn- und erklärbares Ziel.
Sind auch die Richter des EuGH der Meinung, dass die EU-Transparenzverordnung ungültig ist, dürften die entsprechenden Datenbanken (in Österreich transparenzdatenbank.at wohl bald vom Netz genommen werden. Die Luxemburger Urteile folgen in vier von fünf Fällen den Gutachten der Generalanwälte.