Zum Hauptinhalt springen

Drohnenkrieg oder Diplomatie?

Von David Ignatius

Kommentare

In der US-Botschaft in Pakistan wird derzeit darüber gestritten, wie die CIA sinnvollerweise agieren soll und wer dabei welche Befugnis haben soll.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Während das US-pakistanische Beziehungsgeflecht seit eineinhalb Jahren ausfranst, ist in der US-Botschaft in Islamabad ein bedeutungsvoller Streit im Gange. Es geht um das richtige Ausmaß der verdeckten CIA-Aktionen und die Auswirkungen auf die diplomatischen Interessen. Die Hauptakteure dieser Auseinandersetzung sind Cameron Munter, US-Botschafter seit Oktober 2010, und mehrere CIA-Postenkommandanten. Es geht um die Frage, ob dem Botschafter die Befugnis zukommt, CIA-Aktionen zu beeinspruchen, von denen er annimmt, sie könnten die langfristigen Beziehungen gefährden. Es sieht aus, als hätte Munter diesen Kampf verloren.

Im weiteren Sinn geht es auch um den Schnittpunkt von Drohnenkrieg und Diplomatie. Für US-Präsident Barack Obama ist das eine entscheidende Frage, hat er doch den Einsatz unbemannter Drohnen gegen Al-Kaida in Pakistan, im Jemen und in Somalia wesentlich erhöht.

Meine Informationen, das möchte ich klarstellen, habe ich weder von der CIA noch von Munter, der seinen Posten aus persönlichen Gründen im Sommer aufgeben will. Meine Quellen haben mich über die Auseinandersetzung in Islamabad informiert, weil sie davon überzeugt sind, die Angelegenheit verdiene mehr öffentliche Aufmerksamkeit.

Als Botschafter ging Munter davon aus, dass er Vollmacht für alle Angelegenheiten in Pakistan habe, die die Botschaft betreffen. Seine Vorgängerin Anne Patterson hatte ein ähnliches Vetorecht, das allerdings kaum jemals auf dem Prüfstand war, weil sie und die CIA meistens übereinstimmten. Munter soll aber zurückhaltender gegenüber den Expansionsplänen der US-Regierung in Sachen Drohnenangriffe gewesen sein, weil er fürchtete, dass Tempo und Timing den langfristigen Interessen der USA in Pakistan schaden könnten - für kurzfristigen Terrorabwehrgewinn.

Akut wurde der Druck in den US-pakistanischen Beziehungen nach dem Angriff, bei dem Osama bin Laden getötet wurde. Und akut wurde dann auch der Drohnenstreit in der US-Botschaft. Munter soll das Kosten-Nutzen-Verhältnis einiger "Signatur-Angriffe", bei denen der Name des Ziels unbekannt ist, in Frage gestellt haben. Manch dieser Anschläge waren echte Volltreffer.

Die Frage des Vetorechts von Botschaften wurde nach oben befördert. Das US-Außenministerium hat nun eine formell beratende Rolle, aber im Fall eines Streits bleibt die letzte Autorität beim obersten Befehlshaber jeder verdeckten Aktion, beim US-Präsidenten und beim CIA-Chef.

Interessanterweise soll CIA-Chef David Petraeus oft Partei für Munter ergriffen haben. Er teilt nämlich dessen Ansicht, dass manchmal die langfristigen Kosten der Drohnenangriffe in Pakistan gegenüber den kurzfristigen Vorteilen überwiegen. Die skeptische Haltung von Petraeus soll seine Beziehungen zum Chef des CIA-Terrorabwehrzentrums belastet haben.

Voriges Jahr habe ich Obama als "verdeckten Oberkommandierenden" bezeichnet, und offensichtlich hat er Gefallen an der Rolle gefunden. Er sollte aber daran denken, dass er auch oberster Diplomat ist.

Übersetzung: Redaktion

Originalfassung "An embassy asks: Drones or diplomacy?"