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Droht das Ende von Cross-Border?

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Cross-Border-Leasing könnte in den nächsten Wochen für heimische Kommunen und Großunternehmen an Attraktivität verlieren. Denn Steuergeschenke aus den USA wird es vielleicht bald nicht mehr geben, geht es nach dem Willen des republikanischen Senators Chuck Grassley. Der Antrag des Vorsitzenden im US-Finanzausschuss richtet sich gegen sämtliche Leasing-Transaktionen, also auch die inneramerikanischen. Die Bush-Administration hatte ebenfalls angekündigt, die Geldgeschenkregelung in diesem Jahr ändern zu wollen.


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In der Kommunalkredit Austria, Österreichs Spezialbank für die Finanzierung der öffentlichen Hand, rechnen die Experten mit einer rückwirkenden Änderung des Cross-Border-Gesetzes ab Jänner 2004. Dass in bestehende Verträge eingegriffen wird, hält Kommunalkredit-Chef Reinhard Platzer eher für unwarscheinlich. Doch seit Anfang des Jahres können keine neuen Cross-Border-Verträge mehr abgeschlossen werden, da sich US-Investoren nicht auf ein solch waghalsiges Unterfangen einlassen wollen.

Die letzten vier Transaktionen wurden unter Beteiligung der Kommunalkredit 2003 abgewickelt. Darunter waren zwei für die Stadt Wien: So wurden die ULF-Garnituren der Wiener Linien und das Rechenzentrum der Hauptstadt - bisher nur zu zwei Drittel - in die USA verpachtet. Seit 1998 nahm Wien die amerikanischen Steuergeschenke sechsmal in Anspruch. Der Wert der verleasten Objekte beträgt 1,47 Mrd. Euro, der Steuervorteil beläuft sich auf knapp 80 Mill. Euro.

Eigentlich wollten sich das Rechenzentrum zwei US-Financiers teilen, doch einer sprang wegen der bevorstehenden Änderungen ab, berichtet Wiens Finanz-Chef Josef Kramhöller. Er ist zuversichtlich, dass für die Bundeshauptstadt keinerlei Risiko besteht. Kramhöller hält sogar ein Scheitern der Grassley-Initiative für warscheinlich, da der Entwurf des Verbots von Leasinggeschäften schon zweimal dieses Schicksal erlitt. Sollten sich Investoren finden - sie profitieren maßgeblich von dem Deal -, dann werde die Stadt nicht zögern, weiterhin ihre Infrastruktur zu verpachten.

Weniger begeistert sind die Grünen von den Geldgeschenken aus Amerika. Für sie sind die einzigen Gewinner US-Trusts und Banken. Die Salzburger Grüne Elisabeth Moser hebt einen Risikofaktor hervor: "Der Investor hinterlegt den Mietpreis bei einer Depotbank. Geht diese in Konkurs, dann ist das Geld verschwunden." Die Salzburger Grünen schreiben es ihrem Engagement zu, dass das Kanalnetz nicht an einen US-Trust "verschachert" wurde. Denn nach Protesten der Grünen Bürgerliste spang auch die ÖVP ab. Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden von der SPÖ bekam im Gemeinderat keine Mehrheit.

Auch in Vorarlberg ist Cross-Border-Leasing (CBL) keine Geldbeschaffungsmethode. Finanzreferent und Landeshauptmann Herbert Sausgruber verweist auf die unklare Rechtssituation und gibt damit allen Cross-Border-Skeptikern recht. Weder der Landesenergieversorger VKW, noch die Gemeinden holten sich US-Geschenke. Ebenfalls skeptisch sind die Politiker in der Steiermark. Bisher gibt es keine Transaktionen. Infrastrukturlandesrat Leopold Schöggl (FPÖ) hält sie "für nicht ungefährliche finanzpolitische Taschenspielertricks". In Kärnten ist die Regierung besonders streng. Jörg Haider erteilte sogar ein CBL-Verbot. Zwei geplanten Leasingverträgen in St.Veit und Millstatt wurde durch Landeshauptmann-Weisung der Garaus gemacht.

Die Tiroler sind weniger zögerlich. Die Tiroler Wasserkraft AG (Tiwag) und die Innsbrucker Kommunalbetriebe machten von CBL Gebrauch. Die Tiwag brauchte für die Beteiligung an den Kommunalbetrieben Geld. 200 Mill. Euro kamen durch das Verleasen von Inn- und Osttiroler Kraftwerken herein. Interessant wäre die Sache für Niederösterreich, umgesetzt wurde CBL jedoch bisher nicht. Das Volumen aller heimischen Projekte beziffert die Kommunalkredit mit 8 Mrd. Euro, davon enfällt mehr als die Hälfte auf Kraftwerke und ein Viertel auf Transportbetriebe.

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Cross-Border

Cross-Border-Leasing bezeichnet Leasing über Staatsgrenzen hinweg. Es werden große Anlagegüter, meist im Eigentum der öffentlichen Hand, wie Kraftwerke, Kläranlagen, Kanalnetze, Bahngarnituren, Loks und Bahnhöfe an einen ausländischen Investor verleast und dann gleich wieder von diesem zurückgemietet (Lease & Lease Back-Geschäft).

Das Motiv für den Abschluss einer solchen Transaktion seitens der österreichischen Vertragspartner ist der Nettobarwertvorteil, ein einmaliges Steuergeschenk, das beim Abschluss der Gesamtverträge ausbezahlt wird. Von den 30% Steuerersparnis kommen aber nur 4 bis 7% beim österreichischen Leasinggeber an, den Rest teilen sich US-Investoren und die involvierten Banken.

Bei einem Cross-Border-Leasing-Vertrag, der 5.000 Seiten umfasst, sind wegen der Komplexität US-Investoren, Rechtsanwälte in Österreich und USA, mehrere Banken, Behörden, US-Schätzgutachter und Beratungsunternehmen involviert, die auch alle daran verdienen. Die Koordination aller Mitspieler erfolgt durch einen "Arranger", der im Auftrag des österreichischen Leasingnehmers die Transaktion begleitet. Auf Grund der hohen Gründungs- und Beratungsspesen rechnet sich Cross-Border-Leasing nicht unter 150 Mill. Euro.