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Droht eine "grüne" Blase?

Von Alexander Eberan

Gastkommentare
Alexander Eberan leitet das Private Banking Wien der Steiermärkischen Sparkasse.
© Steiermärkische Sparkasse / Thomas Raggam

Das Thema ESG hat die gesamte Investmentbranche erfasst - inklusive "Greenwashing".


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Der Run auf nachhaltige ESG-Finanzanlagen (Environmental, Social and Corporate Governance) ist ungebrochen stark. Die weltweit investierten ESG-Vermögenswerte überstiegen im Jahr 2020 die Marke von 35 Billionen US-Dollar und erreichten damit ein Drittel des derzeitigen globalen Gesamtvermögens. Hält die Dynamik an, wird das "grüne" Vermögen laut Bloomberg bis 2025 die Marke von 50 Billionen US-Dollar überspringen. Kurzfristig ist aber aufgrund des Booms eine spekulative Blase bei "grünen" Aktien nicht auszuschließen. Denn die meisten Unternehmen des Sektors sind jung. Und auch wenn die Rolle der Aktienmärkte prinzipiell darin besteht, Kapital für Wachstum und Innovation bereitzustellen, sollte man das Risiko von "Greenwashing" im Auge haben und nicht verfrüht gänzlich auf "grüne" Aktien setzen. Vor kurzfristigen Modeerscheinungen sollte man sich auf alle Fälle schützen, um Verluste ähnlich wie in der "Dotcom"-Blase zu vermeiden.

Das Thema ESG hat die gesamte Investmentbranche erfasst. Ob Aktien, ETFs, Immobilien oder Anleihen - bei allem, was als nachhaltig oder "grün" gilt, greifen die Anleger mit beiden Händen zu. "Grüne" Anleihen, etwa Green Bonds, die etwa zur Finanzierung der Energiewende emittiert werden, sowie Kredite mit dem Etikett "nachhaltig" haben sich als neue Anlageklasse etabliert. Die Nachfrage institutioneller Investoren nach qualitativ hochwertigen, ESG-konformen Anleihen dürfte sich rasch verstärken. Die niederländischen NN Investment Partners rechnen für heuer mit der Emission von "grünen Anleihen" im Wert von 400 Milliarden Euro, womit das Marktvolumen deutlich über eine Billion US-Dollar steigen dürfte.

Nicht immer sind die Firmen aber so grün, wie sie sich nach außen geben. "Greenwashing" ist für private Anleger, aber auch für Vermögensverwalter, Ratingagenturen und Fondsgesellschaften meist nicht leicht erkennbar. Somit birgt so manche Investition Reputations- und finanzielle Risiken. Werden zum Beispiel Green Bonds neu emittiert, fließt den Unternehmen neues Geld zu, das einen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leistet. Werden die Anleihen zu einem späteren Zeitpunkt gehandelt, ist dies jedoch nicht mehr gegeben. Die wissenschaftliche Evidenz, dass Investoren mittels solcher Anlagen einen spürbaren oder gar maßgeblichen Einfluss auf die reale Welt ausüben können, ist relativ dünn. Eine gewisse Hilfestellung können Nachhaltigkeitslabel wie das FNG-Siegel oder der Eurosif European SRI Transparency Code bieten. Solche Gütesiegel stellen aber in erster Linie nur sicher, dass die Produkte einem gewissen Qualitätsstandard entsprechen. Die rege Diskussion, was "gut" oder "schlecht" ist, wird wohl noch länger eine Begleiterscheinung des Nachhaltigkeitsbooms bleiben. Während manche Marktteilnehmer meinen, strenge und harte ESG-Richtlinien würden den Sektor lähmen und behindern, gilt die EU als Vorreiterin in Sachen Transparenz. Bis Anleger blind darauf vertrauen dürfen, dass die ihnen angepriesenen nachhaltigen Produkte und Dienstleistungen das halten, was sie versprechen, ist es noch ein langer und steiniger Weg.