Aufregung um Schröder-Visite in Teheran. | Teheran/Wien. "Es ist eine Wahlkampfmanipulation der untersten Schublade", empört sich Farid Z. aus dem Reformlager über die jüngste Zensurwelle. 110 Tage vor den Präsidentschaftswahlen am 12.Juni haben Irans Behörden zwei Internetseiten zur Unterstützung der Kandidatur von Mohammad Khatami blockiert. Der Druck auf die liberalen Kräfte soll damit verstärkt werden, erklärt der prominente Reformer Majid Ansari gegenüber westlichen Journalisten. Einer der Herausgeber der Internet-Seiten "Wähle Khatami", Behruz Shojai, wird noch deutlicher: "Die Blockade der Webseiten bedeutet, dass die Hardliner nicht zulassen werden, dass Khatami Ahmadinejad herausfordert."
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Reformer mussten in den vergangenen Jahren bereits mehrere Rückschläge hinnehmen, während die Hardliner ihre Macht festigten. Reformorientierte Zeitungen wurden geschlossen und der Wächterrat - er übernimmt im Iran die Vorselektion der Kandidaten für politische Ämter - untersagte Tausenden Reformern die Kandidatur für die Parlamentswahl.
Khatami gilt als moderater Vermittler und hatte während seiner Präsidentschaft in den Jahren von 1997 bis 2005 den Dialog mit dem Westen in den Mittelpunkt seiner Politik gestellt. Bei der diesjährigen Präsidentenwahl ist er Fixstarter gegen Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad.
"Schandfleck"
Die Wiedereinführung der moderaten Linie Khatamis forderte am Wochenende auch ein prominenter Gast im Iran, Deutschlands Exbundeskanzler Schröder. Während seiner Visite kam er mit fast allen wichtigen Würdenträgern zusammen und mahnte die Perser zu mehr Kooperation mit dem Westen. Im Vorfeld des Besuches kritisierten jüdische Gruppen den Besuch des mächtigen Ex-Kanzlers bei Ahmadinejad als einen "Schandfleck für Deutschland", während Irans Medien ihn als "ein Zeichen westlicher Entspannungspolitik ansahen, deren Gesandter positive Signale setzen wolle."
Schröder selbst nahm sich bei einer Rede auch kein Blatt vor den Mund und kritisierte die Israel-Sager Ahmadinejads. Fast wäre das Treffen zwischen den beiden deshalb geplatzt. Letztlich fand es am Samstag hinter verschlossenen Türen des Präsidialamtes statt, aber in einer sehr formellen Atmosphäre, ohne besondere Herzlichkeiten. Über das Treffen sagte Schröder, dass es zwar Bereitschaft seitens des Iran für einen Neuanfang der Beziehungen zum Westen gäbe, die Entwicklung jedoch nicht so wie gewünscht verlaufe. Der Iran und der Westen müssten sich zum Ziel setzen, aufgenommene Gespräche zum Erfolg zu führen und nicht - wie in den vergangenen Jahren - scheitern zu lassen. Wesentlich herzlicher verlief Schröders Begegnung mit Khatami.