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"Druck auf Prag schädlich"

Von Hans-Paul Nosko

Europaarchiv

Wien - In der Frage der Benes-Dekrete solle Österreichs Außenministerin Ferrero-Waldner keinen Druck auf Tschechien ausüben, erklärte SP-Europa-Sprecher Caspar Einem gestern. Er plädiert für ein "sensibles Signal" gegenüber Prag. Tschechien selbst scheint zu einer Versöhnungsgeste bereit zu sein.


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Eine Erklärung Tschechiens zu den Benes-Dekreten werde "notwendig" sein und "sie wird auch kommen", sagte Außenministerin Benita Ferrero-Waldner am Samstag auf dem Bundeskongress der Jungen ÖVP in Krems. Diese Äußerung bezeichnete SPÖ- Europa-Sprecher Caspar Einem in einer Presseaussendung als "Kraftmeierei". Er plädiere "für ein sensibleres Signal der Frau Außenministerin an Tschechien", sagte Einem im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Österreich spiele sich so auf, als ob es einen Anspruch auf ein bestimmtes Verhalten seines Nachbarn habe, sagte der SPÖ-Politiker. "Es wäre für die künftigen Beziehungen der beiden Länder förderlich, wenn Tschechien aus einer Position der Stärke heraus ein Zeichen des guten Willens setzen könnte", so Einem. Unter Druck sei ein derartiger Schritt nicht zu erwarten, sagte der SPÖ-Europa-Sprecher, der Ferrero-Waldner durch ihre jüngsten Äußerungen auf derselben Stufe wie die FPÖ sieht.

Dort klingt es freilich schärfer. Wie Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) kürzlich erklärt hatte, gebe es in der Frage der Benes-Dekrete "überhaupt keine Toleranz". Die Freiheitlichen hätten bisher nicht auf die "Veto-Karte" verzichtet, so Böhmdorfer.

Letzteres sei allerdings nicht in ihrem Sinne, hatte die Außenministerin bereits am Samstag erklärt: Man wolle kein Veto und "keine Sturheit", sondern verhandeln. Mit dem "Frowein-Gutachten", das Tschechien in der vorigen Woche die Unbedenklichkeit der Benes-Dekrete für den EU-Beitritt attestiert hatten, sei eine gute Grundlage für weitere Verhandlungen geschaffen, sagte Ferrero-Waldner.

Im Außenministerium will die Aussage Ferrero-Waldners vom Samstag nicht als Drohung verstanden wissen. "Die Formulierung, eine Erklärung Tschechiens sei 'notwendig', beinhaltet keine Veto-Drohung", betonte Außenamts-Sprecher Harald Günther gegenüber der Wiener Zeitung. Gemeint sei lediglich, so Günther, dass man darauf vertraue, dass Tschechien eine Erklärung zu den Benes-Dekreten abgebe.

Dies scheint in greifbare Nähe zu rücken. Wie Tschechiens Außenminister Cyril Svoboda in einem am Sonntag im "Kurier" erschienen Interview erklärte, sei eine Versöhnungserklärung möglich, jedoch sollte Österreich keinen Druck auf Tschechien ausüben.