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Druckkochtopf Krankenhaus

Von Simon Rosner

Politik

Streik, Pessimismus und Dauerbelastung: Was hinter den Alarmsignalen aus den Spitälern steckt.


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Streiks und Streikbeschlüsse sind in Österreich selten. Auf Ärztinnen und Ärzte trifft das allerdings nicht unbedingt zu. Vor zehn Jahren streikte das ärztliche Personal in oberösterreichischen Ordensspitälern, im Jahr darauf in den Kärntner Landeskliniken, 2015 konnte in Wien nach zähen Querelen ein Streik gerade noch abgewendet werden, ein Jahr später ebenso.

Seither blieb es zwar ruhig, doch die Coronakrise, verbunden mit einer offensichtlich pessimistischen Aussicht des Personals auf die kommenden Jahre, hat nun erneut zu Aktionen geführt. In Wien hielten am Mittwoch Beschäftigte der Ordensspitäler einen Streiktag ab, tags zuvor hatte die Ärztekammer eine Umfrage unter Wiener Spitalsärzten präsentiert, die einen nachhaltigen Qualitätsverlust in der medizinischen Betreuung befürchten.

Im Detail sind die Problemlagen unterschiedlich. Das Personal der Ordensspitäler kämpft um mehr Lohn. Die Gewerkschaft verlangt 500 Euro brutto mehr monatlich, die Arbeitgeber bieten dagegen eine sozial gestaffelte Einmalzahlung von bis zu 1.000 Euro netto. Bei den Gemeindeärzten ergab die Umfrage eine generelle Unzufriedenheit. "Die Ärzteschaft fühlt sich alleine gelassen mit ihren Problemen", erklärte Studienautor Peter Hajek.

"Ungleichgewichte in der Versorgungskette"

Doch es gibt auch eine größere Klammer. Der Spitalsbereich ist hierzulande stark ausgebaut, pro Kopf stehen in Österreich (und in Deutschland) doppelt so viele Betten zur Verfügung wie in der Schweiz. Er muss dafür aber auch mehr Aufgaben im Gesundheitswesen übernehmen. Die Ökonomin Maria Hofmarcher spricht von "Ungleichgewichten in der Versorgungskette". Im ambulanten Bereich werde der Spitalssektor immer gewichtiger, sagt Hofmarcher. Sie nennt als Beispiel den Ausbau von Tageskliniken.

Spitäler sind eine eher personalintensive Struktur, wobei gerade Ordensspitäler traditionell eine hohe Effizienz aufweisen, sagt die Ökonomin. Die Kehrseite davon: hohe Arbeitsintensität für die Belegschaft und geringere Gehälter.

Die Pandemie und ihre Folgen akzentuierten, was zuvor bereits Realität war, dass nämlich viele Patienten und Patientinnen im Krankenhaus behandelt werden, die aus anderen als rein medizinischen Gründen dort liegen. Die stationäre Pflege war schon vor der Pandemie medizinisch unterausgestattet, weshalb Gepflegte häufig länger im Spital blieben als eigentlich nötig.

Nun kommt ein bereits relevanter Arbeitskräftemangel in der Pflege hinzu. Vor allem in der Steiermark und in Oberösterreich mussten Betten in Pflegeheimen gesperrt werden, was den Spitalsbereich auch wieder zusätzlich strapaziert. Zwar ist die Belastung durch Covid-19 derzeit geringer und laut Prognosen auch stabil, aber andere Atemwegserkrankungen grassieren sehr stark, auch Influenza.

Luft nach oben bei Personalmangel

Hofmarcher sieht es aber nicht als grundsätzlich problematisch, wenn Spitäler auch andere Aufgaben im Gesundheitswesen übernehmen. Alte Menschen wollen möglichst lange daheim versorgt werden, mitunter bedinge dies aber gelegentliche stationäre Aufnahmen, um die Patienten medikamentös wieder neu einzustellen oder eine körperliche Schwäche zu behandeln. "Wir müssen Pflege und chronische Erkrankungen verstärkt zusammendenken", sagt die Ökonomin.

Im wachsenden Personalbedarf sieht Hofmarcher noch Luft nach oben, wie sie sagt. Dazu müsse man aber Arbeitszeiten so gestalten, dass der Verschleiß gemildert werde. Die Wünsche und Vorstellungen der Beschäftigten haben sich geändert. Der ärztliche Dienst ist zunehmend weiblich geworden, im niedergelassenen Bereich sind dafür Männer nach wie vor überrepräsentiert. "Es müssen verstärkt Frauen befragt werden, welche Bedürfnisse sie haben", sagt Hofmarcher. Im Präsidium der Ärztekammer sitzen übrigens ausschließlich Männer.

Den ersten politischen Wortmeldungen nach zu urteilen, stehen strukturelle Änderungen im System aber nicht unmittelbar bevor. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) forderte im "Morgenjournal" in Ö1 generell "mehr Geld im System", Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) verwies nach dem Ministerrat auf die anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen. In den nächsten Tagen werde man zudem Gespräche mit mehreren Stakeholdern im Gesundheitsbereich führen, so Rauch.