Die Grenzen ihres Landes wurden auf keiner Karte - außer ihrer eigenen - verzeichnet, die Wurzeln ihrer Sprache sind unentdeckt. Ihr Land wird einerseits als mannigfaltige Landschaft beschrieben, die immer Menschen anlockte, andererseits als karger Landstrich in den Bergen, den niemand haben wollte, als Erklärung für die jahrhundertelange Autonomie des Baskenlandes. Die Baskenmütze ist zu ihrem Markenzeichen geworden, sie selbst gelten als hartnäckig und eigenwillig.
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Basken waren stets sehr geschickt und erfinderisch wenn es um PR in eigener Sache ging. So behaupten Legenden, die ersten Druiden in Irland wären Basken gewesen, andere erzählen, Basken hätten die Küsten Amerikas auf gewinnträchtigem Walfang lange vor anderen Entdeckern befahren. Die Basken waren angeblich die ersten Europäer, die mit einem Ball aus Gummi spielten - und zwar den Nationalsport Pelota - die ersten Europäer auch, die Getreide aßen und Tabak anbauten und sie haben ihre eigenen Schuhe entwickelt, die "espadrilles".
Beim Aufkommen des Kapitalismus gehörten sie zu den ersten Kapitalisten und experimentierten mit zollfreiem, internationalem Handel und sie waren führende Industrielle: Schiffsbauer, Stahlerzeuger und Fabrikanten. Der berühmteste Sohn des Baskenlandes aber ist zweifellos Ignatius von Loyola, der 1534 den Jesuitenorden begründete.
Baskische Arithmetik: 4 +3 = 1
Das Baskenland beginnt am Ardour, dem Fluss, der das französische Baskenland von den Kiefernmooren Aquitaniens trennt und endet auf der spanischen Seite am Ebro. Das gesamte Gebiet ist nur 20.367 Quadratkilometer groß und gliedert sich in sieben Provinzen. Vier davon - Navarra, Guipuzcoa, Vizcaya und Alava - auf der spanischen Seite, drei Provinzen liegen in Frankreich - Labourd, Basse Navarre und Soule. Das südliche Baskenland in Spanien ist fünf mal größer als das französische Baskenland, das "Iparralde" genannt wird, was "auf der nördlichen Seite" bedeutet. Es beherbergt zehn mal so viele Menschen und ist sehr viel mehr industrialisiert. Schon im Mittelalter stammte ein Drittel des europäischen Eisens aus den riesigen Eisenvorkommen Vizcayas.
Das Baskenland wird charakterisiert als Land eines Volkes, das sich durch seine Sprache definiert. Baske ist, wer baskisch spricht. Ein problematischer Ansatz, wenn man bedenkt, dass 1986 nur mehr 27 Prozent der Basken baskisch sprachen. Die baskische Sprache nennt man Euskara oder Eskuara. Euskara ist die einzige westeuropäische Sprache, die nicht indogermanischen Ursprungs ist. Mit Hebräisch gilt Euskara als die älteste Sprache der Welt. Manche Sprachwissenschafter wollen eine mögliche Verwandtschaft mit dem Etruskischen festgestellt haben, doch gesicherte Erkenntnisse über die Herkunft der Sprache gibt es nicht. Im Baskischen selbst existiert kein eigenes Wort für baskisch. Das einzige Wort um einen Angehörigen der Gruppe zu bezeichnen, ist "euskaldun", was jemanden, der Euskara spricht, bezeichnet. Ihr Land nennen die Basken "Euskal Herria", Land der Euskara-Sprecher. Die baskische Sprache hat extrem komplexe Verben, zwölf Fälle, wenig Höflichkeitsformen dafür aber ein reiches Vokabular für Naturphänomene. Die baskische Sprache kennt nur 200.000 verschiedene Wörter, doch der Wortschatz wird durch Hinzufügung immer neuer Nachsilben bedeutend erweitert. "Iparsortalderatu" etwa bedeutet "nordostwärts gehen".
Geheimnisvolle Herkunft
Wer die Basken sind, bzw. woher sie kommen liegt ebenso im Dunkeln, wie die Wurzeln ihrer Sprache. Die ersten gesicherten Berichte über Basken stammen von den Römern, aus dem Jahre 218 n. Chr., aus denen hervorgeht, dass die Basken schon damals ein sehr altes Volk waren. Historiker gehen davon aus, dass die Basken seit 18.000 Jahren als Volksgruppe existieren. Auch die Tatsache, dass die Basken weltweit die höchste Konzentration der Blutgruppe 0 aufweisen - mehr als 50 Prozent der Bevölkerung haben sie - und von allen Völkern der Erde den höchsten Anteil an rhesus-negativem Blut, weist sie als sehr alte, eigenständige Gruppe aus.
Den Basken selbst gefällt jene Theorie am besten, die sagt, dass sie die eigentlichen Europäer sind, die vor allen anderen da waren. Ihren Namen verdanken die Basken den Römern, die das streitlustige Völkchen in den Pyrenäen "Vascones" nannten, wovon sich das spanische Wort "Vascos" und das französische Wort "Basques" ableitet. Mit den zahlreichen Besatzungsmächten, die im Laufe der Geschichte mehr oder weniger heftig das Baskenland für sich beanspruchten, fanden die Basken mit jenen das beste Auskommen, die ihrem Anspruch auf Selbstverwaltung am ehesten entgegenkamen und das den baskischen Traditionen verhaftete Rechtssystem, das auf ungeschriebenem Gewohnheitsrecht basierte, achteten.
Mit den Römern lebten sie in Frieden, ohne sich zu assimilieren, mit den Westgoten in ständigem Kampf, ohne entscheidend geschlagen zu werden. In dem jahrhundertelangen, komplizierten und von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägten Zusammenleben mit den Muslimen wurden die Basken schließlich zu Christen, wenn auch nicht zu besonders verlässlichen. Für die Basken waren die Franken schließlich ebenso Feinde wie die Muslime. Legendär ist der Sieg der Basken über Karl den Großen in der Schlacht von Roncesvalles.
Der Kampf um die Selbstbestimmung
Als Ironie der Geschichte mag gelten, dass ausgerechnet die Französische Revolution, von der sich viele fortschrittliche Reformen erhofften, der baskischen Autonomie in Frankreich ein jähes Ende bereitete. Die revolutionäre Nationalversammlung löste die drei französischen Baskenprovinzen auf und schaffte die "Fueros", Grundlage des traditionellen Gewohnheitsrechts, ab. Ein einheitlicher Schullehrplan für ganz Frankreich verbot das Baskische und andere Regionalsprachen, was sich erst 1981 mit der Wahl Francois Mitterands wieder änderte.
In Spanien gelang es den baskischen Provinzen einige Jahrzehnte länger ihren Autonomiestatus zu bewahren, da die Spanier zunächst die Politik verfolgten, Basken Basken sein zu lassen und ihnen ihre Fueros zu gewähren, um sich der Loyalität der Basken zu versichern, die mit der Verteidigung ihrer Provinzen gleichzeitig auch Spaniens Grenzen festigten. Aber nach den Karlistenkriegen, in denen die Basken auf der Seite der Verlierer standen, war es auch mit ihrer Autonomie vorüber.
Guernica als Symbol baskischer Identität
Die politische Repression führte jedoch immer auch zu einer Welle der Erneuerung baskischer Traditionen. Sinnbild der gefährdeten baskischen Identität wurde die Eiche von Guernica (baskisch Gernika), unter der sich seit dem Mittelalter die baskischen Führer versammelt hatten. Der baskische Nationalismus als politische Kraft entstand Ende des 19. Jahrhunderts mit einer Nationalhymne und der Flagge in den baskischen Nationalfarben rot, weiß, grün, die "ikurrina". In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelangte die Baskische Nationalistische Vereinigung (PNV - Partido Nacionalista Vasco) zu überragender Bedeutung im politischen Leben des baskischen Volkes.
Die neue spanische Republik 1931 hatte zunächst nur wenige Anhänger im Baskenland. Den meisten Basken - katholisch und konservativ geprägt - war diese Republik zu linkslastig und kirchenfeindlich. Doch man arrangierte sich - nicht zuletzt auf eigene Vorteile bedacht - und knapp vor dem spanischen Bürgerkrieg gelang es, der Madrider Linksregierung weitgehende Autonomierechte abzutrotzen. Am 7. Oktober 1936 wurde eine baskische Regierung ausgerufen, mit dem Baskenführer Jose Antonio Aguirre als Chef. Den Amtseid legte er unter der alten Eiche in Guernica ab. Die Regierung sollte nur neun Monate bestehen.
Der Bombenangriff der Legion Condor auf Guernica am 26. April 1937 ist auch als symbolischer Akt lang geschürter Feindschaft zwischen Spaniern und Basken zu verstehen. "Vizcaya" sollte dem Erdboden gleichgemacht werden. Und was sollte geeigneter sein, die verhassten "Gegner" in die Knie zu zwingen - moralisch wie physisch - als die Zerstörung eines für die baskische Identität so wichtigen Ortes wie Guernica.
Die Bombardierung Guernicas dauerte drei Stunden. Schätzungen zufolge fanden dabei etwa 1.500 Menschen den Tod. Die genaue Zahl konnte nie ermittelt werden. Francos Stab leugnete den Überfall und erklärte, die Basken hätten ihre Stadt selbst in die Luft gesprengt und in Brand gesteckt. Erst 1970 gab das Franco-Regime zum ersten Mal zu, dass es einen Bombenangriff auf Guernica gegeben hatte. Die deutsche Regierung entschuldigte sich schließlich 1998 beim baskischen Volk. 1999 verabschiedete das spanische Parlament eine Entschließung, die geltend machte, dass Franco in bezug auf Guernica gelogen hatte.
Nach der Machtübernahme General Francos blieb die PNV neben der Spanischen KP die einzige faktisch noch existente Widerstandsgruppe. Das Leben unter Franco brachte für die Basken Unterdrückung, Verfolgung, Folter, Diskriminierung und Repression. Selbst das Sprechen der baskischen Sprache im Familienkreis war unter Strafandrohung verboten.
Die ETA als Reaktion auf Unterdrückung
Die PNV setzte darauf, dass ihr nach dem Krieg ihr Widerstand gegen die Faschisten von den Alliierten in irgendeiner Form gedankt werden würde. Dem war nicht so: Die westlichen Demokratien erkannten offiziell die Regierung Franco an und erreichten damit, dass die PNV zusammenbrach und ihre politische Stimme verstummte.
Am 31. Juli 1959 spaltete sich eine Gruppe von Studenten an der Jesuitenuniversität Deusto in Bilbao von der am Boden liegenden PNV ab und gründete als neue Speerspitze des baskischen Widerstandes die Organisation "Euskadi Ta Askatasuna - Baskenland und Freiheit" als "militärische, sozialistische, revolutionäre, baskische Organisation der nationalen Befreiung." Im Unterschied zur PNV, die sich mit einer Autonomieregelung für Euskadi zufrieden gäbe, will die ETA die völlige Unabhängigkeit des Baskenlandes und die Vereinigung aller sieben Provinzen zu einer eigenen Republik.
Während das landwirtschaftlich geprägte französische Baskenland in erster Linie vom Tourismus lebt und erfolgreich mit der folkloristischen Tradition der Basken um Gäste wirbt, ist die Eisen- und Stahlindustrie des spanischen Baskenlandes um Bilbao für Spanien ein unverzichtbares wirtschaftliches Standbein. Es gibt Spekulationen darüber, dass Spanien relativ rasch auf den Status eines Dritte-Welt-Landes zurückfallen würde, ohne die Industrie des Baskenlandes und Katalaniens. Was die erbitterte Ablehnung der baskischen Autonomiebestrebungen seitens der Spanischen Regierungen - welcher Couleurs auch immer - hinlänglich erklärt.
Von der Untergrundbewegung zur Terroreinheit
Nach dem Tod Francos (1975) und dem Übergang Spaniens zur parlamentarischen Monarchie (1978) nahm man an, der baskische Terror würde verschwinden. Aber viele Franquisten behaupteten sich weiterhin in einflussreichen Positionen, und die junge spanische Demokratie war zunächst nicht so offen, wie viele erhofft hatten. So ging der Kampf auf beiden Seiten erbittert weiter.
Laut der baskischen Menschenrechtsgruppe Gestoras Pro-Amnistia, eine nach dem Tode Francos gegründete Amnestiebewegung, sind seit der Generalamnestie im Jahre 1977 8000 Basken aus politischen Gründen inhaftiert worden, von denen eine Mehrheit niemals vor Gericht gestellt worden ist. Die meisten Menschenrechtsbeobachter halten diese Schätzungen für extrem gemäßigt. Noch in den 80er Jahren kritisierte amnesty international die Folterpraktiken in spanischen Gefängnissen. Die ETA wiederum agiert zunehmend mit ausufernder Gewalt, die jedoch unter der Bevölkerung keine Akzeptanz mehr findet. Die große Mehrheit der Basken ist der Gewalt endgültig überdrüssig.
Literaturtipp: Mark Kurlansky, Die Basken. Eine kleine Weltgeschichte, Verlag Claassen