Eine Story über den Rückkehrwunsch eines prominenten "Dschihad-Mädchens" hat eine Debatte über Medienethik ausgelöst.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Sie wurden zu Symbolfiguren für fehlgeleitete Jugendliche, die sich freiwillig dem Terrorregime Islamischer Staat (IS) in Syrien anschließen: die Wienerinnen Samra (17) und Sabina (15). Ihre Bilder von der Interpol-Vermisstenliste gingen um die Welt.
Laut Boulevard-Zeitung "Österreich" ist es mit der Freiwilligkeit vorbei. Samra soll genug vom IS-Alltagsterror haben und nach Hause wollen. Als Quelle wird ein "Insider" zitiert.
Terrorist liest mit
Auch diese Geschichte ging um die Welt und wirft nun die Frage auf, ob die Sicherheit der Mädchen dadurch gefährdet wird. Denn klar ist: Eine Rückkehr aus der Region ist derzeit kaum möglich. Klar ist auch: Den IS-Kämpfern ist die Story über die angeblich abtrünnigen Wiener Mädels sicher nicht entgangen. Medien sind deren wichtigstes Propaganda-Werkzeug. Journalisten wie "ZiB2"-Moderator Armin Wolf, Experten wie Politologe Thomas Schmidinger oder Politiker wie Karl Öllinger (Grüne) beklagten auf Twitter, Facebook mehr oder weniger heftig, die Story gefährde die Mädchen.
Der Chef des Presserates, Alexander Warzilek, sagt: "Sobald eine Gefährdung im Raum steht, sollten Medien zurückhaltend sein." Andererseits sei es von öffentlichem Interesse, was mit den Menschen passiert, die dort hinfahren. Entscheidend für ihn sei die Quellenlage. "Über Gerüchte zu berichten, wäre in diesem Fall äußerst fraglich. Wenn sich aber etwa die Eltern bewusst entscheiden, Informationen zu veröffentlichen, wäre es aus medienethischer Sicht unproblematisch."
Die Autorin der "Österreich"-Story, Isabelle Daniel, steht zur Geschichte und ihren, wie sie betont, schriftlichen und mündlichen Quellen. Sie habe die Frage im Vorfeld mit US-Antiterror-Experten diskutiert, die ebenfalls meinten, dass dadurch die Propaganda vom angeblichen IS-Paradies von Reichtum und Liebe durchbrochen werden könne. Daniel: "Es ist wichtig, dieses abschreckende Beispiel herzuzeigen." Und sie fügt hinzu: "So leid es mir tut, aber die Mädchen haben sich gefährdet, als sie sich Terroristen anschlossen. Das war kein Jugendstreich."
"Schwanger?"
Die Folgestory der britischen "Daily Mail", wonach die Mädchen schwanger seien, verstößt nach Warzileks erster Einschätzung klar gegen die Presseethik. "Wenn man über Gerüchte schreibt, dass Mädchen schwanger sind, greift das in die Intimsphäre ein." Im entsprechenden Bericht fehlt eine Quelle.
In weiteren Storys tauchen dann plötzlich "offizielle Stellen in Österreich" als Quelle für den angeblichen Rückkehrwillen des Mädchens auf. Der "Kurier" nahm einen Bericht wieder vom Netz und begründete das auf Twitter so: "Konnte nicht verifiziert werden und gefährdet die Sicherheit der beiden Mädchen."
Der Sprecher des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck, sagt: "Von mir gab es zum konkreten Fall immer nur die Standardantwort: Kein Kommentar. Wir erläutern das Phänomen Foreign-Fighters nur allgemein."
"Losgelöst von diesem konkreten Fall kann es mit ein Grund sein, Fälle nicht zu kommentieren, wenn die Sicherheit von Menschen gefährdet ist."
Sollen die Bilder von Samra und Sabina überhaupt gezeigt werden, wie es die "Wiener Zeitung" tut? Ein Leser hat die Causa beim Presserat "angezeigt". Dieser wird in Kürze entscheiden: "Ich will dem Senat nicht vorgreifen. Aber meiner persönlichen Einschätzung nach ist das zulässig, weil die Bilder von Interpol veröffentlicht wurden", sagt Warzilek.