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Dschihadisten rekrutieren kaum mehr in Moscheen

Von Julia Mathe

Politik

Nur die Entwicklung einer alternativen religiösen Vorstellung könne Dschihadismus vorbeugen, meinen Experten.


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Wien. Nach den Pariser Anschlägen sei wohl auch der österreichische Dschihadist Mohamed Mahmoud stärker im Visier der Geheimdienste, hieß es auf der Tagung "Zum Terrorismus in Österreich. Erfahrung und Gefahr", organisiert vom Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies. Mohamed Mahmoud habe schließlich großen Einfluss auf die österreichische und deutsche Szene des Islamischen Staates (IS), sagt Islamwissenschafterin Tamara Abu-Hamdeh. Es heißt, er kämpfe momentan in Syrien auf der Seite des IS, doch nun ist ein Video der Pariser Attentate aufgetaucht, auf dem er angeblich zu sehen sei. Das Video wird aber noch analysiert. Mahmoud saß in Österreich bereits vier Jahre in Haft, weil er ein terroristisches Netzwerk gegründet und gefördert hatte. Während seiner Inhaftierung entwickelte er die Medienstrategie des IS weiter. Danach bildete er eine ähnliche Gruppierung in Deutschland, bevor er 2013 nach Ägypten floh und sich der Terrormiliz IS anschloss.

Seitdem im August ein Mordvideo Mahmouds auftauchte, wird auch wegen Mordes gegen ihn ermittelt. Doch was kann man tun, um die Rekrutierung des IS zu erschweren? "Das effektivste Mittel, um dschihadistische Operationen längerfristig einzudämmen, ist die Entwicklung einer alternativen religiösen Vorstellung", meint Islamwissenschafter Rüdiger Lohlker. Es brauche eine neue Strömung, die nicht auf völlige Ausgrenzung und Exklusivität ausgerichtet ist. Was aber nicht funktioniert, sind sogenannte Gegennarrative: Webseiten, die Gegenpropaganda zur dschihadistischen Ideologie betreiben, sind in der Vergangenheit kläglich gescheitert.

Anziehungspunkt Internet

Denn gerade im Internet verstehen es Dschihadisten besonders gut, neue Mitglieder anzuwerben. Die Rekrutierung findet inzwischen kaum mehr in Moscheen statt, sondern durch Onlinepräsenzen und andere inoffizielle Kanäle. Demnach sind die Reaktionen von Politikern auf Attentate oft ein Schlag ins Leere: So hat der französische Innenminister Bernard Cazeneuve angekündigt, dass er alle Moscheen schließen wolle, in denen radikales Gedankengut verbreitet wird. Laut Lohlker soll damit der Bevölkerung der Eindruck vermittelt werden, es werde etwas gegen Terrorismus getan. Wollte man das Problem an der Wurzel packen, müsste man aber anders vorgehen.

Auch die Ankündigung der USA, Flüchtlinge wegen Terrorgefahr strenger zu kontrollieren, sei bloß eine populistische Maßnahme: "Wir müssen bedenken, dass in den USA gerade Wahlkampf ist. Und einige Wahlkämpfer haben Xenophobie als Hauptmerkmal." Außerdem geht Lohlker davon aus, dass die Akteure in Paris nicht als (vermeintliche) Flüchtlinge ins Land gekommen sind - auch wenn ein Pass, der beim Stade de France gefunden wurde, auf syrische Abstammung hinweist. Schließlich gäbe es auch die These, dass der Pass bewusst dort platziert wurde, um Flüchtlinge fälschlicherweise als Terroristen unter Verdacht zu bringen.

Laut Experte Ferdinand Haberl sei dies durchaus plausibel: Nachrichtendienste terroristischer Gruppierungen sind besonders gut darin, ihre Spuren zu verwischen. Dazu gehören nicht nur Methoden wie die Verschlüsselung der Kommunikation, sondern ebenso das Legen falscher Fährten. Da würde der ominöse Pass gut ins Bild passen - doch man kann nur mutmaßen.