Mit neuem Staatsschutzgesetz dürfen Internet-Einträge bis zu fünf Jahre gespeichert werden. Unschuldige, die observiert wurden, sind künftig zu informieren.
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Wien. "IS ist meine Religion." "Tötet alle Jesiden." "Syrien oder Tod." Solche Einträge mussten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die Dschihadisten auf der Spur sind, bisher nach höchstens neun Monaten löschen. So lange haben die Staatsschützer jetzt Zeit, im Zuge der Gefahrenerforschung potenzielle Terroristen zu überführen. Verdichten sich die Verdachtsmomente nicht, sind alle aufgezeichneten Daten zu löschen.
Künftig sollen verdächtige Internet-Einträge oder Handy-Telefonate bis zu fünf Jahre gespeichert werden dürfen. Das erfuhr die "Wiener Zeitung" aus Verhandlungskreisen. Allerdings ist die Speicherung eng begrenzt auf Fälle von politischem oder religiösem Extremismus. Das heißt: Neben potenziellen Dschihadisten stünden auch Neonazis oder Linksextreme verstärkt unter Beobachtung. Eine Vorratsdatenspeicherung neu, also die verdachtslose Speicherung aller Bürgerdaten im Staatsgebiet, ist somit vom Tisch.
Keine neuen Vorratsdaten
Am Staatsschutzgesetz feilten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und ihre Beamten über Monate gemeinsam mit allen Parteien. Nun geht es in Begutachtung. Eine Grundsatzentscheidung lautet: Der Verfassungsschutz (BVT) bleibt weiterhin eine Polizeibehörde, die im Innenministerium angesiedelt ist, und wird nicht zum Geheimdienst. Echte Nachrichtendienste wie der deutsche Bundesnachrichtendienst oder die amerikanische CIA haben beim Observieren Verdächtiger per se mehr Spielraum.
Doch auch für das BVT wird dieser Spielraum nun erweitert. Dazu kommt, dass im Zusammenhang mit Extremismus Meinungsdelikte wie Verhetzung oder der Terrorparagraf verstärkt zum Einsatz kommen. Das erhöht die Möglichkeiten der Observation automatisch.
Die Sphären zwischen normaler Polizeiarbeit und Gefahrenerforschung im Staatsschutz werden künftig strikt getrennt. Das heißt, dass normale Polizisten nicht mehr als Agenten unterwegs sein dürfen, sondern nur noch die Spezialisten des BVT.
Außerdem soll die Transparenz steigen. Bürger, die vom Verfassungsschutz observiert wurden, müssen nachträglich informiert werden, sofern sich der Verdacht als unbegründet erweist.
"Schnittbaustellen"
Enttäuscht ist der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz. Er hätte sich eine größere Reform hin zu einem richtigen Nachrichtendienst gewünscht. Es sei "verrückt", dass das BVT nur im Inland zuständig sei, im Ausland hingegen nur der Heeresnachrichtendienst HND, der im Verteidigungsministerium angesiedelt ist, operiere. Dort betont man, mit dem BVT gut vernetzt zu sein und sich eng auszutauschen. Pilz glaubt das nicht. "Das sind keine Schnittstellen, das sind Schnittbaustellen." In der Begutachtung ist für Pilz nun entscheidend, dass die Aktivitäten des BVT stärker vom Parlament kontrolliert werden können. "Das funktioniert derzeit überhaupt nicht." Ihm schwebt das Schweizer Modell vor, nach dem Motto: "Vor dem Parlament ist nichts geheim, solange der parlamentarische Ausschuss geheim bleibt."
Diese Kontrolle sei auch im Zusammenhang mit der erweiterten Gefahrenerforschung entscheidend. Das Parlament müsse überwachen können, ob die eng zu definierenden Grenzen für eine mehrjährige Überwachung in der Praxis auch wirklich eingehalten werden.