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Kabul - An Afghanistan haben sich im 19. und 20. Jahrhundert das britische Empire und Russland beziehungsweise die Sowjetunion die Zähne ausgebissen. Nur Alexander dem Großen gelang es, das Land in einem zweijährigen Kampf zu erobern, und Dschingis Kahn, der es 1219 als letzter bezwang. George W. Bush steht also keine leichte Aufgabe bevor, wenn er die Taliban bezwingen will.
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Die nationalstaatliche Geschichte Afghanistans beginnt 1747, als Ahmed Khan Durani zum König proklamiert wurde. Das Land war in seiner Geschichte seither immer wieder durch russischen oder britischen Imperialismus bedroht. 1838-1842, 1878-1881 und 1919 führten die Briten gegen die Afghanen Kriege. Am 8. August 1919 erkannten die Briten im Vertrag von Rawalpindi nach Sowjetrussland, das diesen Schritt schon im März 1919 gesetzt hatte, die Souveränität Afghanistans unter König Amanullah an. Amanullah scheiterte mit seinen Reformen nach dem Vorbild der Türkei am Widerstand der moslemischen Geistlichkeit und dankte 1929 ab. Sein Cousin und Nachfolger Nadir Schah wurde 1933 ermordet, dessen Sohn Zahir Schah regierte bis zum Sturz der Monarchie im Jahr 1973, als er während eines Auslandsaufenthaltes von seinem Schwager Mohammed Daoud gestürzt wurde. Dieser wiederum wurde 1978 durch einen Putsch marxistischer Offiziere entmachtet. Heftige Flügelkämpfe folgten und nach der Ermordung von Präsident Nur Mohammed Taraki intervenierte im Dezember 1979 die Sowjetunion, die sich nach einem blutigen Krieg zehn Jahre später aus Afghanistan zurückziehen musste. Die USA unter Präsident Ronald Reagan unterstützen damals über ihre Alliierten in Saudiarabien und Pakistan islamische Gruppen, die gegen die Sowjets kämpften.
Nach dem sowjetischen Rückzug und dem Zusammenbruch der UdSSR begann ein blutiger Bürgerkrieg zwischen verschiedenen afghanischen Gruppen, die ihre Basen in den islamischen Teilrepubliken der früheren Sowjetunion, sowie in Pakistan und im Iran hatten. 1996 setzten sich in diesen Kämpfen die Taliban durch, die derzeit rund 95 Prozent des Staatsgebietes beherrschen.
Im September 1996 erreichten sie, die in den Flüchtlingslagern und den Koranschulen Pakistans rekrutiert worden waren, die Hauptstadt Kabul, wo sie als erste politische Tat den Sitz der UNO stürmten, wohin sich der frühere Präsident Mohammed Najibullah geflüchtet hatte. Er und sein Bruder wurden erschossen und an einem öffentlichen Platz aufgehängt.
Die Taliban entzogen den Frauen alle Rechte, wie Wahlrecht, Scheidungsrecht und das Recht auf Studium - Ende der Siebzigerjahre war die Mehrheit der Studenten in Kabul weiblich - und das Recht auf Arbeit. Für Ehebruch wurde die Steinigung eingeführt, Dieben wurden die Hände abhackt. Fußball und Schach wurden verboten, Kinos und TV-Stationen geschlossen.
Drei Viertel der Erwachsenen Afghanistans, dessen Bevölkerung im Jahr 2000 knapp 26 Millionen Menschen ausmachte, sind Analphabeten. Das Pro-Kopf-Einkommen betrug im Vorjahr 800 Dollar, die Lebenserwartung betrug knapp 46 Jahre, nicht zuletzt aufgrund einer hohen Kindersterblichkeit von 15,2 Prozent, die nur durch eine hohe Geburtenrate von durchschnittlich 5,8 Kinder pro Frau wettgemacht wird. Auf einen Arzt entfallen fast 6.700 Patienten.
Die große Mehrheit der Afghanen, die sich aus einer Vielzahl von Völkern - Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Kirgisen, Turkmenen, Belutschen u.a. zusammensetzen sind Sunniten, 15 Prozent, vor allem die Hazara, sind Schiiten. Seit der Machtübernahme der fundamentalistischen Taliban dominieren die Paschtunen, die auch jenseits der Grenze in Pakistan leben, mit einem geschätzten Bevölkerungsanteil zwischen 40 und 60 Prozent.