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Du, Herr Bundespräsident!

Von Ralf Beste

Gastkommentare
Ralf Beste ist seit September 2019 deutscher Botschafter in Österreich. Davor war der studierte Historiker als Journalist tätig, unter anderem für die "Berliner Zeitung" und den "Spiegel".
© Deutsche Botschaft Wien

Der Titel und das Du, das ist sehr österreichisch - und wahrt die Balance von Vertrautheit und Respekt.


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Zu den liebsten Klischees der Deutschen über die Österreicher gehört die Vorliebe für Titel. Frau Doktor und Herr Hofrat, das erinnert ein bisschen an Hans-Moser-Filme, die gute alte Zeit.

Zu den liebsten Klischees der Österreicher über die Deutschen zählt die Strenge beim Siezen. Bis der Herr Ackermann aus Anhalt den Toni aus Tirol duzt, müssen schon ein paar Schnapserl fließen.

Klischees werden besonders interessant, wenn sie aufeinandertreffen. Ich musste daran denken, als der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen seinen deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier im Salzburger Festspielhaus begrüßte: "Herr Bundespräsident, ich freue mich, dass Du da bist." Der Deutsche, ganz aufmerksamer Gast, kombinierte ebenfalls das vertrauliche Du mit der respektvollen Anrede.

Die Kombination von Titel und Du ist eine österreichische Spezialität, über die ich in meinem ersten Jahr in Österreich schon öfters gestolpert bin. Zumal, wenn die Titel länger und für deutsche Ohren eher ungewöhnlich werden, wie beim Herrn Spartenobmann oder der Frau Bezirkshauptmannstellvertreterin.

Das wirkt auf den Neuling erst einmal heiter. Aber auch unser deutscher Umgang mit dem Du wirkt bisweilen merkwürdig. Manche testen die Möglichkeit des Du, indem sie ihr Gegenüber eine Weile in der Mehrzahl ansprechen, also: "Ihr" und "Euch" - das klingt noch nach Distanz, hat aber keine mehr.

Die hanseatische Variante besteht aus der Kombination des Vornamens mit dem Sie. "Sie, Helmut", würde man an der Waterkant sagen, wenn man Vertrauen geschöpft hat. Vielleicht soll das Nähe zu England markieren, wo bekanntlich die Nennung beim Vornamen auch nicht zwingend ein Ausdruck von Nähe ist.

Ob Titel oder nicht, ob Du oder Sie, es geht um die heikle Balance von Vertrautheit und Respekt. Das eine gilt eher der Person, das andere oft dem Amt. Obwohl Diplomaten im österreichischen Außenministerium einander ausnahmslos zu duzen scheinen, gehört die Anrede "Frau Botschafterin" dennoch zum internen Sprachgebrauch.

Insofern ist die Kombination von Du und Bundespräsident vielleicht keine schlechte, denn sie bemisst die Spannweite der Beziehung, menschlich bis professionell. Die Herren Bundespräsidenten mögen und respektieren einander eben gleichermaßen. Übertrieben haben sie es übrigens nicht: Auf die Nennung der akademischen Grade verzichteten sie, obwohl der eine Herr Professor und der andere immerhin Herr Doktor ist.