Die Hausdurchsuchung im BVT taugt zu einer Agentenkomödie, die aber eher eine Tragödie werden dürfte.
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Das Lied "Du kleiner Spion" von Minisex führt uns in die Welt der Geheimdienste und ist Fiktion. Die Hausdurchsuchung im Bundesamt
für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist Realität und taugt - zusammen mit der "Aufklärung" durch Innen- und Justizministerium - zu einer Agentenkomödie, die aber eher eine Tragödie werden dürfte.
Alles begann mit einem 2017 an Medien anonym verbreiteten Dossier mit einer Reihe von Vorwürfen gegen das BVT. Die Medien stellten fest, dass einiges so nicht stimmen könne; sie berichteten nicht. Die Staatsanwaltschaft bekam das Dossier auch und destilliert offenbar nur zwei Vorwürfe heraus: das Nichtlöschen von Daten nach Abschluss von Ermittlungen gegen einen Anwalt und die Weitergabe von Passkopien an den südkoreanischen Geheimdienst. Mit dem Einzug von Herbert Kickl in das Innenministerium und der Installation seines Generalsekretärs Peter Goldgruber kommt Dynamik in die Sache. Er macht eine Nachtragsanzeige, und es melden sich vier Zeugen bei der Staatsanwaltschaft. Diese Aussagen hätten für die Staatsanwaltschaft plötzlich Gefahr im Verzug sehen lassen. Noch in der Nacht wird eine richterliche Bewilligung einer Hausdurchsuchung im BVT und in Privatwohnungen eingeholt. Am nächsten Tag marschiert dann die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität auf und "sichert" die umfassende Hausdurchsuchung, an der auch fünf Staatsanwälte und externe IT-Experten teilnehmen. Dabei werden Daten einer Zeugin, der Leiterin des Extremismusreferates, kopiert bzw. beschlagnahmt. Kickl erklärt, er wolle den Leiter des BVT, Peter Gridling, nicht den Vertrag verlängern. Stunden später muss er einräumen, dass er das schon getan und der Bundespräsident die Bestellung auch unterzeichnet habe. Man habe diese Urkunde einfach nicht ausgefolgt. Nun - erwischt durch die Medien - wird Gridling die Bestellungsurkunde ausgefolgt, gleichzeitig wird er von Kickl suspendiert. Diese seltsamen Vorgänge werfen Fragen auf, die seitens der Regierung mit Nebelwerfen beantwortet werden. Auf den ersten Blick könnte man ein Umfärben des Geheimdienstes vermuten. Dazu passt, dass Gert-René Polli - er war bis 2008 Chef des BVT und steht laut Medien der FPÖ nahe - als Kritiker des BVT auftritt und sich offenbar Hoffnungen macht, als Chef wieder nachzufolgen. Auf den zweiten Blick fällt auf, dass auch Datenträger einer Zeugin beschlagnahmt wurden, die unter Umständen Daten zu der Observation der rechten Szene enthalten und mit den Ermittlungen gar nichts zu tun haben.
Die Medien haben den Verdacht geäußert, dass die FPÖ diese Daten bekommen wollte und daher auch eine Einheit zum Einsatz kam, die von einem FPÖ-Politiker geleitet wird. Kickl fragt in meinbezirk.at rhetorisch: Warum hätte ich das tun sollen? Ich kann diese Daten jederzeit einsehen. Was er nicht sagt: Jede offizielle Dateneinsicht würde protokolliert und wäre in einem U-Ausschuss Anlass zur Frage, wozu Kickl diese Daten eingesehen hätte.
Viele Fragen, viel Nebel bei den Antworten. Die Liste Pilz hat daher in der Sondersitzung des Nationalrates gegen Kickl einen Misstrauensantrag gestellt. Denn die Desavouierung des österreichischen Geheimdienstes macht auch im Ausland die Runde und führt zu besorgten Anfragen, ob während der EU-Präsidentschaft Österreichs ausreichend für Schutz gesorgt werde. Schaden für Österreich. Kickl ist der Auslöser, Sebastian Kurz aber dafür verantwortlich, gegen guten Rat alle drei Geheimdienste der FPÖ überlassen zu haben.