Na schön. SPÖ und ÖVP nominieren Johannes Hahn als österreichischen EU-Kommissar. Portefeuille beziehungsweise Kompetenzen: noch unbekannt. Laut übereinstimmenden Medienberichten hätte ein Österreicher das Mega-Ressort "Landwirtschaft und ländliche Entwicklung" übernehmen können. Vorausgesetzt, er hieße Willi Molterer. Den wollte die SPÖ nicht, die ÖVP ließ ihn schließlich fallen.
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Wem ist jetzt, am vorläufigen Ende der wochenlangen "peinlichen Provinzposse" (© Martina Salomon), gedient? Kanzler Werner Faymann hat Molterer verhindert, aber wer, außer einigen Dumpfbacken in der eigenen Partei, zollt ihm dafür Respekt? Und wieder hat er sich in EU-Fragen als nicht sattelfest erwiesen (Der Kommissar als Drehscheibe zwischen österreichischen und europäischen Interessen? Wir sind hier nicht im Töpfergewerbe).
Die Wiener Muthgasse ist ihm wichtiger als Brüssel. Vizekanzler Josef Pröll hat einen Sack zugemacht, dafür ein paar andere auf. Die Bauern dürften sauer sein, zu Recht. Molterer ist ohne eigenes Zutun beschädigt worden. Ein erfolgloser Minister wird mit einem Karrieresprung nach Brüssel belohnt, soll jemand anderer sich um die Debakel in der Universitätspolitik kümmern. Die ÖVP Wien fiel offenbar aus allen Wolken, die Nachfolge für Hahn war nicht vorbereitet. Well done, Chief Pröll.
Und Hahn selbst? Vor drei Wochen sagte er Bemerkenswertes: "Wenn es sein muss und meine Partei das explizit will, stünde ich natürlich zur Verfügung. Aber sicher nur für das Dossier Wissenschaft und sicher nur, wenn es unbedingt sein muss. Ich betone: Willi Molterer wäre der ideale Kandidat." Wirklich europabegeistert klingt das. Und wenn er "sein" Dossier nicht erhält, geht dann die Posse in die nächste Runde? Immerhin: Dem letzten Satz stimme ich zu. Bis heute konnte weder Faymann noch Pröll erklären, nach welchen - europapolitischen, nicht kleinformatigen - Kriterien Hahn Molterer dominiert (oder Ursula Plassnik, Eva Nowotny, Benita Ferrero-Waldner, . . . es ist ja nicht so, dass es keine qualifizierten Kandidaten gegeben hätte).
Innenpolitisch: nur Verlierer. Außen- und europapolitisch: detto. Reputation baut man langsam auf, aber sie geht schnell verloren. Und wenn alle 27 Mitgliedstaaten bei der Besetzung von EU-Organen so kleinkariert agieren wie Österreich, wird Zwerg Bumsti dort bald ebenso tonangebend sein wie hierzulande.
Die Anzeichen dafür häufen sich ohnehin. Wer auf zwei Stars der internationalen Bühne für die beiden neuen Top-Jobs - Ratspräsident und Chefdiplomat der EU - gehofft hat, also Personen, die Barack Obama, Wladimir Putin und den nationalen Kirchturmfürsten der EU Paroli bieten könnten, wird wohl bitter enttäuscht werden. Nicht große Oper, sondern Provinzbühne in Hintertupfing als Leitbild der Personalauswahl: Europa heute.
Alexander Van der Bellen ist Abgeordneter der Grünen zum Nationalrat.
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