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Duell der Blicke: Wien bleibt hart

Von Martyna Czarnowska und Michael Schmölzer

Politik

Briten wollen Waffenlieferungen an syrische Rebellen, Österreich strikt dagegen.


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Brüssel/Washington. Es ist, als ob Jean Asselborn es verschrien hätte. Keinen Kompromiss zu finden, wäre das Allerschlimmste, hatte Luxemburgs Außenminister vor einem Treffen mit seinen europäischen Amtskollegen gesagt. Die Politiker waren zusammengekommen, um über die Aufrechterhaltung des EU-Embargos gegen Syrien zu beraten. Die Verlängerung der Strafmaßnahmen gegen das Assad-Regime, die auch ein Waffenembargo gegen das gesamte Land umfassen, hätte einstimmig erfolgen müssen.


Das ist aber nicht gelungen. "Es ist bedauerlich, dass wir keinen gemeinsamen Standpunkt gefunden haben", erklärte der österreichische Ressortchef Michael Spindelegger. Wien hat sich für eine Fortsetzung der Sanktionen ausgesprochen und war strikt gegen Waffenlieferungen an die syrische Opposition. Auf die militärische Unterstützung der Rebellen hatte aber Großbritannien gepocht, und wurde dabei von Frankreich unterstützt – auch wenn Laurent Fabius die Sitzung vorzeitig verlassen hatte, um in Paris seine Kollegen aus den USA und Russland, John Kerry und Sergej Lawrow, zu empfangen. Spindelegger zeigte sich verärgert über Londons Haltung, denn selbst die zuletzt diskutierte Option einer Aufhebung der Sanktionen mit einer gleichzeitigen Aufschiebung dieser Entscheidung wollte Großbritannien zu seinen Gunsten uminterpretieren. Doch konnte Österreich – wie andere 24 EU-Mitglieder – nicht akzeptieren, dass eine Konfliktseite mit Waffen beliefert wird, argumentierte der Minister. Das wäre "eine völlige Kehrtwende" in der EU-Politik, befand er.


Die Folge der Nicht-Einigung sei, dass nun jede Seite im syrischen Bürgerkrieg bewaffnet werden könne, zeichnete Spindelegger ein düsteres Zukunftsszenario. Denn die Strafmaßnahmen laufen am Wochenende aus. Allerdings können die einzelnen Länder die Sanktionen auf nationaler Ebene weiterlaufen lassen. Genau das wünscht sich Spindelegger auch für Österreich. Er rechnet damit, dass ebenfalls andere Staaten die Restriktionen bei den Waffenlieferungen sowie die Konto- und Reisesperren beibehalten.

Doch Österreich sieht nun die UNO-Mission auf den Golan-Höhen gefährdet, wo 377 heimische Soldaten stationiert sind. "Es wird für uns schwierig, das Mandat aufrechtzuerhalten", so Spindelegger. Die Deutschen, die zuletzt die Vermittlerrolle übernahmen, waren bemüht, Optimismus zu vermitteln. Die Gespräche der Delegationen gingen bis in die späte Nacht. "Die Arbeiten gehen weiter", betonte denn auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle. "Wir kommen zurück", erklärte sein britischer Amtskollege William Hague zum Abschied.
Den Politikern läuft aber die Zeit davon. Hinzu kommt, dass der Erfolg einer in knapp zwei Wochen geplanten Syrien-Konferenz in Genf fragwürdig ist. Um das Treffen vorzubereiten, trafen einander Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege John Kerry gestern in Paris. Lawrow gab bekannt, dass die Ausgangslage schwierig sei. Das syrische Regime hat der Teilnahme einer Konferenz "prinzipiell" zugestimmt. Doch die Opposition ist so zerstritten, dass ihr Auftritt fraglich ist.

USA stellen sich auf Seite der Briten
Die USA stellen sich unterdessen auf die Seite Großbritanniens und Frankreichs. Washington ist dafür, dass EU-Staaten künftig Waffen an die syrische Opposition liefern und damit direkt in den blutigen Bürgerkrieg eingreifen. Während in Brüssel noch heftig gestritten wurde, meinte ein hoher Beamter aus dem State Department, dass man die Lockerung des Embargos für wünschenswert halte. Die USA erachten die Lieferung von Offensivwaffen an die syrische Opposition als Unterstützung der Bemühungen der Internationalen Gemeinschaft, den Assad-Gegnern den Rücken zu stärken und das Regime in Damaskus unter Druck zu setzen.

Konkret geht es vor allem um Fliegerabwehrraketen und panzerbrechende Waffen. Die syrische Armee beherrscht immer noch den Luftraum und verfügt über höhere Feuerkraft.
Was das richtige Vorgehen in Syrien betrifft, herrscht international enorme Meinungsvielfalt. Selbst die engen Verbündeten USA und Israel sind hier nicht auf einer Linie. Israel hat klargemacht, dass man gegen Waffenlieferungen an die Rebellen ist. Hier regiert die Angst, dass die gelieferten Systeme in die Hände radikaler Islamisten fallen könnten, die das westliche Gerät dann gegen Israel richten würden.

Die USA hingegen sind seit einigen Monaten intensiv bemüht, den Rebellen Waffen zukommen zu lassen – ohne dass man sich in Washington offiziell dazu bekennen würde. Wie die "New York Times" berichtete, wird Syrien über eine von der CIA hergestellte Luftbrücke mit Waffen beliefert. Das Gerät stammt vor allem aus Saudi-Arabien und Katar, die Logistik ist US-amerikanisch. Geliefert wird mit jordanischen, saudischen und katarischen Frachtflugzeugen; die Maschinen landen in der Türkei und fallweise in Jordanien, die Fracht wird dann per Lkw nach Syrien gebracht. Die CIA ist auch beim Kauf der Waffen behilflich. Insgesamt sollen bereits weit mehr als 3500 Tonnen Waffen nach Syrien gelangt sein. Die syrische Armee hingegen wird mit russischem Gerät beliefert. Die südlibanesische Hisbollah stellt vor allem Kämpfer zur Verfügung – rund 2000 sollen es sein, die derzeit gegen die Rebellen antreten.

Offiziell liefert Washington nur Defensivwaffen wie Helme und Splitterschutzwesten an die Rebellen. Derzeit wird auch über die Möglichkeit nachgedacht, Rebellen militärisch auszubilden. Derartige Hilfe könnten auch EU-Staaten leisten, wie Spindelegger zuletzt vor Journalisten bestätigte.