Anhörungen über EZB-Maßnahmen vor deutschem Verfassungsgericht.
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Frankfurt. Die Eurozone blickte auf Karlsruhe: Dort prüft derzeit das deutsche Bundesverfassungsgericht den Beschluss der Europäischen Zentralbank, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten zu kaufen, auf seine Vereinbarkeit mit dem deutschen Grundgesetz.
Die Anhörungen begannen am Dienstag und dabei wurde klar, dass die Kläger durch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) die Demokratie in Gefahr sehen. Nicht mehr und nicht weniger war den Argumenten von Dietrich Murswiek zu Beginn der Verhandlung in Karlsruhe zu entnehmen.
Der Direktor des Instituts für Öffentliches Recht der Universität im südbadischen Freiburg vertritt den CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler. Dieser ist einer der profiliertesten Euro-Gegner Deutschlands, und Gauweiler gehört einer ganzen Gruppe von Beschwerdeführern an, die den Prozess am Verfassungsgericht angestrengt hatte. Niemand kümmere es, wenn die EZB bei der Rettung des Euro jenseits jeder Wählerkontrolle agiere und dessen Entscheidungen damit obsolet mache, so die Argumentation.
Demgegenüber verteidigte das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen am gestrigen Dienstagnachmittag das Vorgehen der Zentralbank. Die Linie der EZB habe sich als "notwendig und effektiv" erwiesen. Bei alledem habe sich Euro-Institution in Frankfurt auch innerhalb ihres Mandats bewegt.
EZB-Maßnahmen erkaufen laut Schäuble nur Zeit
Am Vormittag hatte auch der eigens nach Karlsruhe gereiste deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble den EZB-Beschluss vom vergangenen September verteidigt, der der Notenbank zwar die Möglichkeit zum Eingreifen gibt, aber bisher noch in keinem einzigen Fall konkret angewendet wurde. "Die Bundesregierung sieht keine Anzeichen dafür, dass die Maßnahmen der EZB ihr Mandat verletzten", sagte der CDU-Politiker. Der Parteifreund von Kanzlerin Angela Merkel bezweifelte zudem die Zuständigkeit des Verfassungsgerichts. "Ich kann nicht erkennen, dass ein deutsches Gericht unmittelbar über Handlungen der EZB entscheiden kann, dann könnten ja Gerichte aus unterschiedlichen Staaten unterschiedlich über Handlungen der EZB urteilen", sagte Schäuble.
Schäuble zeigte sich allerdings überzeugt, dass die EZB-Maßnahmen die Schwierigkeiten in den Mitgliedsstaaten ohnehin nicht lösen könnten, sondern nur Zeit erkauften. Die Probleme lägen in der "mangelnden finanziellen Disziplin" einiger Staaten und wirtschaftlichen Unterschieden. Ähnlich äußerte sich auf einer Unternehmerveranstaltung in Berlin der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler vom kleineren Koalitionspartner FDP. "Es gibt keine Alternative zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit", sagte der Liberalen-Politiker.
Das Bündnis in Berlin steckt in einer Zwickmühle. Einerseits können die Regierungsparteien der EZB bei der Stabilisierung der Gemeinschaftswährung nicht in den Rücken fallen, andererseits haben die Euro-Skeptiker und Gegner - darunter auch Karlsruher Kläger - inzwischen die Partei "Alternative für Deutschland" gegründet. Auch wenn die neue Gruppierung bei der Wahl im September die Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringt, kann sie dem Bündnis von Unionsparteien und FDP doch ihre Mehrheit gegenüber Rot-Grün im Bundestag kosten.
Kurseinbußen bei Börsen in der Eurozone
Der EZB-Rat hatte das umstrittene Anleihe-Kaufprogramm Outright Monetary Transactions (OMT), das von den Gegnern als verbotene Staatsfinanzierung durch die Notenbank gebrandmarkt wird, am 6. September vergangenen Jahres beschlossen. Wenige Tage zuvor hatte bereits die Ankündigung des Programms durch EZB-Präsident Mario Draghi zu einer Stabilisierung des schwächelnden Euros geführt.
Auch wenn bis zu einem Urteil in Karlsruhe noch Monate vergehen können, reagierten nervöse Börsen in der Eurozone am gestrigen Dienstag mit Kurseinbußen. Die Händler gehen davon aus, dass das deutsche Verfassungsgericht der EZB nichts verbieten, aber durch Auflagen an die deutsche Politik stark einschränken kann. Allerdings hatte das Höchstgericht im vergangenen September Einwendungen der Euro-Skeptiker gegen den Rettungsfonds ESM und zum europäischen Fiskalpakt in einem Eilverfahren abschlägig beschieden.
Der Präsident des Verfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, hat jedenfalls zu Beginn des Verfahrens Kritik an den Maßnahmen der Notenbank durchklingen lassen. Der Beschluss der EZB zum unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen werfe schwierigste Rechtsfragen auf, da die EZB alleine dem Recht der Europäischen Union verpflichtet sei, sagte Voßkuhle. Maßstab für das Verfassungsgericht sei aber das deutsche Grundgesetz. "Hier wird zu klären sein, inwieweit die Europäische Zentralbank Kompetenzen in Anspruch nimmt, die nicht übertragen worden sind und von Verfassung wegen auch nicht übertragen werden durften."