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Duell Kerry-Bush -1:0 für den Herausforderer

Von Alexander Mathé

Politik

50 Millionen Zuseher verfolgten gestern in den USA die mit Spannung erwartete TV-Konfrontation der Präsidentschaftskandidaten. Amtsinhaber George W. Bush und sein demokratischer Herausforderer Senator John F. Kerry standen sich um 3 Uhr MESZ im ersten und entscheidenden von drei Fernsehduellen gegenüber. Medien und Umfragen zufolge ging Kerry als klarer Sieger aus der Konfrontation hervor.


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Der Abend war die Chance für Kerry, seinen Rückstand gegenüber Bush aufzuholen. Letzten Umfragen zufolge lag der amtierende US-Präsident zuletzt sechs Prozentpunkte vor seinem Konkurrenten.

Sieg für Kerry

Den Blitzumfragen zufolge hat John Kerry das Duell für sich entschieden. Für 46 Prozent der Befragten ist er gestern Abend als der klare Sieger hervorgegangen. Lediglich 37 Prozent hatten Bush als den Stärkeren gesehen. Das ergab eine Gallup-Umfrage, die der Nachrichtensender CNN in Auftrag gegeben hat. Noch deutlicher fiel die Umfrage des Senders CBS aus: 46 Prozent hatten nach dem Duell eine bessere Meinung von Kerry, nur 21 Prozent sagten das über Bush.

Kerry hat den besseren Auftritt geliefert und sich staatsmännisch in Szene gesetzt - so die übereinstimmende Meinung der amerikanischen Medien. Die "New York Times" schrieb, dass ein cool und gesammelt wirkender Kerry an diesem Abend die Nase vorn gehabt habe. Es sei einer der besten öffentlichen Auftritte des Herausforderers gewesen, heißt es in der "Washington Post".

Das Urteil des Bush-nahen Senders "Fox" fiel ähnlich aus: Kerry habe mit seiner überlegenen Körpergröße einfach besser gewirkt, erklärte man sich dort das überraschend gute Abschneiden des Demokraten. Auch der ehemalige Berater von demokratischen und republikanischen Präsidenten, David Gergen, sah einen Kerry-Sieg. Bush habe manchmal sogar den Eindruck vermittelt als ob er lieber woanders gewesen sei.

Top-Thema Irak

Thema Nummer 1 der Debatte war der Irak-Krieg. Dabei musste sich Bush gegen den Vorwurf wehren, einen "falschen Krieg" angezettelt zu haben. Kerry hingegen wurde mit der Kritik konfrontiert, sich in der Krise nach dem Wind gedreht zu haben.

Der Irak-Krieg sei ein "kolossaler Fehler" gewesen, argumentierte der Herausforderer. Nicht Saddam Hussein sondern Osama bin Laden sei schließlich der Feind gewesen, den es nach dem 11. September zu bekämpfen galt. Der Einfall im Irak als Antwort auf die Terroranschläge sei genauso logisch gewesen, als wäre Präsident Roosevelt 1941 nach dem Angriff der Japaner auf Pearl Harbour in Mexiko einmarschiert. Beim Versuch, diesen Vorwurf abzuwehren, unterlief Bush ein Faux-pas. Der für seine zahlreichen Versprecher bekannte Präsident antwortete: "Natürlich sind wir hinter Saddam Hussein . äh . Osama bin Laden her!"

Kerry warf Bush außerdem vor, dass Osama bin Laden den Krieg gegen den Irak dazu benutze, den Hass der islamischen Welt gegen die USA zu schüren. Der Demokrat kritisierte, dass die USA 90 Prozent der Truppen im Irak stellten und mit 90 Prozent der Kosten des Irak-Krieges belastet würden. Eine echte Koalition im Irak gäbe es nicht, warf er Bush vor. Zusätzlich habe Bush keinen Plan gehabt, wie nach dem Krieg der Frieden zu gewinnen sei.

Bush verteidigte seine Entscheidung, in den Irak einzumarschieren. Nach dem Sturz von Saddam Hussein sei die Welt jetzt sicherer. Er habe den Krieg nicht gewollt, er sei aber seine "heilige Pflicht" gewesen.

Konsequenter Bush

Er stehe für die konsequente Durchführung seiner Pläne, während Kerry der Welt "unterschiedliche Signale" sende, versuchte Bush die Attacken seines Kontrahenten zu parieren. Gerade in einer so wichtigen Frage wie der Terrorbekämpfung sei es wichtig, als Präsident der USA eine klare Linie vorzugeben. Er, Bush, wisse, wie ein Staat zu führen sei. Der US-Präsident unterstrich seine Bestrebung, für die Freiheit einzutreten und verwies in diesem Zusammenhang auf Afghanistan. Dort hätten nach dem Einschreiten der USA rund 10 Millionen Menschen das Wahlrecht erlangt. Er habe mit der Beseitigung der Taliban der "Ideologie des Hasses" eine schwere Niederlage zugefügt.

Sein größtes Anliegen sei das Wohlergehen Amerikas, versuchte Bush den Zuschauern zu vermitteln: "Ich wache jeden Morgen auf und denke nach, wie ich Amerika sicherer machen kann."

"Globale Tests"

Kerry warf Bush dessen Alleingang im Irak vor. Dieser Präventivschlag hätte erst eines "globalen Tests" bedurft, Bush habe diplomatische Mittel nicht ausreichend ausgeschöpft und sich zu wenig um tragfähige Allianzen gekümmert. Kerry lenkte das Thema schließlich auf die nukleare Bedrohung durch Nordkorea und den Iran. Er sprach sich dafür aus, mit Nordkorea bilaterale Gespräche aufzunehmen - ein Ansatz, der für Bush an der politischen Realität vorbeigeht. Pjöngjang wolle keine Gespräche mit Washington, so Bush, der in der Frage auf die Unterstützung Chinas setzt. Kerry warf Bush vor, die atomare Aufrüstung Nordkoreas sehenden Auges hingenommen zu haben.

Großer Einfluss

Das erste der drei Fernsehduelle gilt als das wichtigste, die zwei noch anstehenden Begegnungen haben erfahrungsgemäß weniger Zuseher. Laut Umfragen lassen sich ein Viertel der US-Wähler von den Fernsehduellen beeinflussen.