Ex-Minister Carme Chacon und Alfredo Rubalcaba wollen Zapatero nachfolgen.
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Madrid. Er fühle sich ein wenig wie seine Lieblingsmannschaft Real Madrid beim Spiel um den Königscup im Camp-Nou-Stadion, meinte Alfredo Rubalcaba am vergangenen Wochenende bei seinem Treffen in Barcelona mit den 101 Delegierten der katalanischen Sozialisten. Am kommenden Wochenende bewirbt sich der frühere Innenminister und Vizeregierungschef, der bei den Parlamentswahlen am 20. November als Spitzenkandidat der Sozialisten (PSOE) ein voraussehbares Debakel erlitten hat, auf dem dreitägigen Parteikongress in Sevilla um die Nachfolge von Jose Luis Zapatero als PSOE-Parteichef. Stärkste Konkurrentin bei dieser Wahl wird seine ehemalige Regierungskollegin Carme Chacon sein, die als Verteidigungsministerin gute Figur gemacht hat. Die aus Katalonien stammende Ex-Ministerin weiß natürlich die Delegierten aus ihrer Heimatregion hinter sich.
Rubalcaba punktet bei den Parteibaronen
Rubalcaba mag zwar im direkten Match mit den Katalanen auf dem Verliererposten sein, nach Punkten liegt er jedoch voran. Während Chacon außer in Katalonien nur auf die deklarierte Unterstützung der Parteichefs in den Regionen Navarra, Kastilien-LaMancha und Madrid zählen kann, stehen hinter Rubalcaba die Parteibarone aus elf Regionen. Der aus dem nordspanischen Kantabrien stammende Rubalcaba, der zu den angesehensten Politikern Spaniens zählt, kann vor allem in den nördlichen Regionen punkten, hat aber auch in den Regionen Valencia und Murcia, Kastilien und Leon, in den nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla sowie in den Inselregionen Kanaren und Balearen die Parteispitzen hinter sich. Die PSOE-Chefs in vier Regionen - Andalusien, Extremadura, Aragonien und Rioja - haben sich noch für keine Seite deklariert.
Felipe Gonzalez wirbtfür seinen Ex-Minister
Rubalcaba kann sich vor allem auch auf die Unterstützung des baskischen Regierungschefs Patxi Lopez verlassen, eines der wenigen Länderchefs, die den Sozialisten nach den Regionalwahlen vom Frühjahr 2011 noch verblieben sind. Und wenige Tage vor dem Parteitag in Sevilla hat sich auch der frühere PSOE-Chef und langjährige Premier Felipe Gonzalez klar für den Ex-Innenminister ausgesprochen, der von 1992 bis 1996 als Wissenschaftsminister und Minister im Amt des Regierungschefs seinem Kabinett angehört hat.
"Ich mag Carme Chacon sehr, aber hier sprechen wir nicht von Affekten und Zuneigung, sondern von Politik und der PSOE als Instrument der Repräsentation und Verteidigung von Millionen Bürgern, die eine sozialdemokratische Antwort brauchen, die an die Zeitumstände angepasst ist", betonte Gonzalez, der sich schon im Parlamentswahlkampf intensiv für Rubalcaba in die Bresche geworfen hatte.
Chacon, deren Fotos um die Welt gingen, als sie hochschwanger eine Militärparade abnahm, wiederum genießt die Unterstützung der ehemaligen Vizeregierungschefin Maria Teresa Fernandez de la Vega und vieler ihrer ehemaligen weiblichen Regierungskolleginnen.
Neutrales Andalusien könnte entscheiden
Die Tatsache, dass sich der Regierungschef in der größten Region Andalusien, Jose Antonio Grinan, der sich im März Neuwahlen stellen muss, in absoluter Neutralität übt und Andalusien mit 234 Delegierten rund ein Viertel der Stimmberechtigten stellt, lassen ein spannendes Rennen um die Zapatero-Nachfolge erwarten. Nicht zuletzt deshalb, weil die Partei in den einzelnen Regionen zwischen den beiden Bewerbern tief gespalten ist und rund 15 Prozent der Delegierten sich bisher noch nicht über ihre Präferenz geäußert haben.
Und die Parteitage der PSOE sind immer für Überraschungen gut. Jose Luis Zapatero gewann die Kampfabstimmung gegen den favorisierten Jose Bono im Sommer 2000 überraschend mit gerade einmal neun Stimmen Vorsprung - bei 995 Delegierten.
In Sevilla geht es für die PSOE-Delegierten um die Frage, ob der weit über die Parteigrenzen hinaus geachtete 60-jährige Alfredo Rubalcaba die nach den Wahlen in die Opposition verbannte Partei führen soll oder die um zwanzig Jahre jüngere Carme Chacon, die erst im Kindergartenalter war, als ihr Konkurrent bereits in der damals noch verbotenen PSOE sich in der Wissenschafts-und Bildungspolitik engagierte. Über die Generationenfragen hinaus spielen bei der Wahl aber auch die Geschlechterfrage und die Regionalfrage - auf der einen Seite katalanisches Selbstbewusstsein, für das Chacon steht, auf der anderen spanischer Zentralismus, der von Rubalcaba repräsentiert wird - eine nicht zu unterschätzende Rolle.