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Dunkle Wolken am Finanzhimmel der Gemeinden

Von Brigitte Pechar

Politik

Finanzsituation von 224 Städten und Gemeinden im Test. | St. Johann/Pongau österreichweit die Nummer eins. | Salzburger Gemeinden führen, Niederösterreichs Gemeinden sind Schlusslichter. | Wien. Die Zahl der Gemeinden, die ihre laufenden Ausgaben nicht mehr durch Eigenmittel bedienen können, steigt. Diese bedrohliche Entwicklung zeigt die Finanzanalyse 2011 von 224 österreichischen Städten und Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern - ausgenommen Wien - über die Jahre 2005 bis 2009. Die Studie wurde von der BSL Managementberatung Austria durchgeführt und liegt der "Wiener Zeitung" exklusiv vor. | 'Die Gemeinden schreiben 2011 ein Nulldefizit' - Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer | Das gesamte Ranking (pdf) | Wissen: Finanz-Index


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Waren von 2004 bis 2008 nur 20 Prozent der Kommunen in der misslichen Situation, ihren laufenden Haushalt nicht decken zu können, sind es 2009 bereits 38 Prozent gewesen. Vor allem Städte und Gemeinden, die schon vor der Finanz- und Wirtschaftskrise über eine schlechte Ausgangssituation verfügten und die Zeit der Hochkonjunktur nicht für strukturelle Reformen genutzt haben, waren von der Krise negativ betroffen.

Primäres Ziel von Kommunalpolitikern, so die Studienautoren Bernhard Knipel und Stefan Maier, sollte es sein, den Haushalt ihrer Gemeinden so aufzustellen, dass sie in Krisenzeiten handlungsfähig bleiben.

Längerfristige Planung der Haushalte fehlt

Ein Grundproblem sieht Knipel in der Praxis, die kommunalen Haushalte einfach nur fortzuschreiben. Er rät stattdessen dazu, politische und damit auch finanzielle Schwerpunkte zu setzen - und das über das einzelne Haushaltsjahr hinaus. Denn, so der Verwaltungsexperte: Längerfristige Planungen helfen, den finanziellen Überblick zu bewahren.

Der Gesamtschuldenstand der 224 untersuchten Gemeinden blieb in den Jahren 2005 bis 2009 relativ konstant und betrug 2009 rund 4,8 Milliarden Euro. Allerdings: In 52 Prozent der Gemeinden sind die Schulden weiter angestiegen. Bei den 72 Gemeinden über 10.000 Einwohnern hielten sich jene, die den Schuldenstand senken, und jene, die den Schuldenstand erhöhten, mit 36:36 die Waage. In der Kommunalstudie 2010, die die Jahre 2004 bis 2008 unter die Lupe nahm, lag das Verhältnis noch bei 40:32 zu Gunsten der Gemeinden, die ihre Schulden senken konnten.

Bei der Schuldenstandsquote (Schuldenstand im Verhältnis zu den laufenden Einnahmen) zeigt sich ein ähnliches Bild: Diese verringerte sich zwar zwischen 2005 bis 2008 deutlich - allerdings vorrangig aufgrund der verbesserten Einnahmen der Gemeinden. Die Krise des Jahres 2009 ließ die Schuldenstandsquote dann aufgrund der Einnahmenrückgänge wieder deutlich ansteigen. Der Anteil der Gemeinden über 10.000 Einwohner, die ihre Schulden im Vergleich zur Studie 2010 reduzieren konnten, sank von 56:16 auf 49:23.

Zusätzlich die Alarmglocken schrillen lässt die Entwicklung, dass immer mehr Gemeinden Schulden außerhalb der durch Gebühren bedeckten Bereiche aufnehmen müssen, um ihre Leistungen zu finanzieren. Diese Praxis wird noch durch den Trend hin zu Ausgliederungen von Dienstleistungsbereichen gefördert.

Stärkere Abhängigkeit vom Bund

Bis 2006 waren die Ausgaben relativ stabil, die Einnahmen deutlich gestiegen. Ab 2007 drehte sich dieser Trend um: 2008 schrumpfte der finanzielle Spielraum deutlich, die Ausgaben blieben gleich, die Einnahmen gingen um 3,2 Prozent zurück. Das ist vor allem darin begründet, dass die Bedeutung der Ertragsanteile (Grafik) deutlich zunimmt. Die Gemeinden werden also immer stärker abhängig von den Zahlungen aus dem Finanzausgleich, also von Mitteln des Bundes. Und damit natürlich auch von der allgemeinen Entwicklung der Wirtschaft.

Die Alternative, nämlich eine größere Steuerhoheit der Gemeinden, berge jedoch auch das Risiko eines noch härteren regionalen Wettbewerbs, gibt Knipel zu bedenken. Bereits jetzt vergeben die Gemeinden Subventionen für Betriebsansiedlungen (freies Grundstück, Befreiung von der Kommunalsteuer für einige Jahre).

Ein interessantes Detail der Studie ist, dass Gemeinden mit einem höheren eigenen Steueraufkommen zu 40 Prozent im letzten Viertel (Quartil) des Rankings liegen. Die besten Werte haben dabei jene Gemeinden, die durchschnittliche bis leicht unterdurchschnittliche eigene Steuereinnahmen haben. So erstaunt es etwa, dass die niederösterreichischen Gemeinden Schwechat und Wiener Neudorf trotz eines sehr hohen eigenen Abgabenanteils von 50 Prozent und hohen Werten pro Einwohner von 1799 Euro beziehungsweise 1416 Euro im letzten Quartil landeten. Knipel vermutet, dass höhere Einnahmen auch zu größeren Projekten verleiten. Oder aber, dass solche Gemeinden den angesiedelten Betrieben zu viel bieten.

Einleuchtender ist dagegen die negative Korrelation zwischen der Größe und der finanziellen Situation der Gemeinden. Je größer die Kommune, desto eher findet sie sich im letzten Quartil des Finanz-Index. Dagegen findet sich nur ein Fünftel der Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern im letzten Viertel wieder, aber mehr als die Hälfte der Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern und bei Gemeinden zwischen 20.000 und 50.000 sind 25 Prozent im letzten Quartil.

Einen Hinweis auf eine zumindest in finanzieller Hinsicht ideale Gemeindegröße bietet das Faktum, dass Gemeinden zwischen 7500 und 10.000 Einwohnern in der Studie deutlich schlechter abschneiden als jene Gemeinden mit über 10.000 und solche mit weniger als 7500 Einwohnern.

Auf Basis der Einwohnerzahl kann auch festgestellt werden, dass Gemeinden, die zwischen 2001 und 2009 deutlich geschrumpft sind (minus 5 Prozent), beim Finanz-Index schlecht abschneiden. Das gilt auch für jene, die einen geringeren Bevölkerungsrückgang hinnehmen mussten. Demgegenüber schneiden Kommunen, deren Bevölkerung stabil geblieben oder bis zu 7,5 Prozent gewachsen ist, überdurchschnittlich gut ab. Ein noch stärkeres Bevölkerungswachstum schlägt sich wiederum negativ auf die Finanzsituation nieder. Dies zeigt, dass sowohl der Wegfall von Einnahmen durch Schrumpfung als auch Strukturanpassungen durch starkes Wachstum Gemeinden überfordern können, resümieren die Autoren.

Deutliches Gefälle von Westen nach Osten

Insgesamt gibt es ein deutliches West-Ost--Gefälle in der kommunalen Finanzsituation. Die ersten Plätze des Rankings der 224 Städte und Gemeinden werden - wie 2010 - von jenen aus den westlichen Bundesländern eingenommen, das Schlusslicht bilden die Kommunen Niederösterreichs. Fast 50 Prozent der niederösterreichischen Gemeinden sind im schlechtesten Quartil. Die Steiermark und Oberösterreich weisen eine relativ gleichmäßige Verteilung auf.

Der österreichische Index-Durchschnitt beträgt 2,88 (nach Schulnoten). Salzburg (2,27), Tirol (2,47), Kärnten (2,55), Vorarlberg (2,75) und Oberösterreich (2,79) sind besser, Burgenland (3,02), Steiermark (3,02) und Niederösterreich (3,34) schlechter.

Vor allem der Bezirk Mistelbach in Niederösterreich schneidet schlecht ab. Dort muss aber gesagt werden, dass dieser Bezirk bis 1989 das tote Ende Österreichs dargestellt hat und es nur einen großen Arbeitgeber (etwa 1000 Arbeitnehmer) gibt. Der Bezirk ist bäuerlich geprägt und der Weinviertel-Tourismus ist erst in den letzten Jahren erwacht.

Exogene Faktorenmit geringem Einfluss

Eine Hypothese der Studienautoren war, dass der Index mit der Belastung durch die Länder korreliert. Das wollten Maier und Knipel an den Sozial- und Gesundheitsausgaben festmachten. Allerdings zeigt sich, dass Oberösterreich bei der Belastung der Gemeinden durch das Land an der Spitze liegt, das abgeschlagene Niederösterreich dagegen im Mittelfeld rangiert. Diese Hypothese konnte also nicht belegt werden. Dass vornehmlich außerhalb der Gemeinden liegende Faktoren an deren Finanzsituation schuld seien, lässt sich aus der Analyse nicht belegen.

Allerdings wirken sich Steuerreformen sehr wohl aus, ebenso wie konjunkturell bedingte Steuerausfälle, demografische Entwicklungen oder steigende Sozialhilfeausgaben.

Worauf die unterschiedliche Haushaltskultur zurückzuführen ist, kann aus der Studie nicht geschlossen werden. Knipel vermutet, dass die Gebarung mit der politischen Kultur eines Landes zu tun hat. Aber auch mit der Art und Weise, wie das Land seine Aufsichtspflicht gegenüber den Gemeinden wahrnimmt.

Keine einzige Gemeinde ohne Schulden

Unter den 224 untersuchten Gemeinden gibt es keine einzige ohne Schulden. Wobei Schulden an sich keine Aussagekraft haben, vielmehr kommt es darauf an, wofür die Schulden gemacht werden und wie sie bedeckt werden können. Die geringsten Schulden unter den Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern weist die Salzburger Kommune St. Johann im Pongau auf - die Siegerin des Rankings. Unter den Gemeinden zwischen 5000 und 10.000 Einwohnern hat Eberndorf in Kärnten die geringsten Schulden.

Strategien für einebessere Finanzstruktur

Eine der politischen Schlussfolgerungen der Studie liegt im Rat, nicht auf fremde Hilfe - etwa von Seiten des Bundes oder des Landes - zu vertrauen, sondern den eigenen Spielraum dazu zu verwenden, die eigene Finanzstruktur zu verbessern. Gemeinden, die nachhaltig planen und agieren, können nämlich ihre Handlungsfähigkeit auch bei verschlechterten Rahmenbedingungen weitestgehend erhalten.

Da Gemeindefusionen eine politisch äußerst heikle Angelegenheit darstellen, rät Knipel zu verstärkten Kooperationen in der Verwaltung. Nicht jede Gemeinde müsse etwa eine eigene Personalverrechnung oder Finanzbuchhaltung haben. Das könne man auch kooperativ angehen.

Für eine Verwaltungskooperation brauche es aber einen politischen Aufwand im Vorfeld. Langfristig, glaubt Knipel, könnte viel Geld gehoben werden, wenn nicht überall dasselbe Ausgabenportfolio vorliegt.

Kurzfristig rät der Verwaltungsexperte den Gemeinden, aufgabenkritisch vorzugehen. Die Bürgermeister sollten sich fragen: Muss ich jede Aufgabe weiterhin erfüllen und in dem Grad aufrecht erhalten?

LinkDas gesamte Ranking als pdf-Datei