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Dunkle Wolken über Thailand-Wahlen

Von Paul Zabloudil

Politik

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Bangkok. Über den Parlamentswahlen in Thailand am Sonntag hängen dunkle Wolken. In den Umfragen liegt die Spitzenkandidatin der oppositionellen Pheu-Thai-Partei, Yingluck Shinawatra, weit vorn. Sie ist die Schwester des 2006 vom Militär gestürzten und jetzt im Exil lebenden Ex-Premiers Thaksin Shinawatra. Die Frage ist, ob die Gegner Thaksins einen Wahlsieg Yinglucks hinnehmen werden - oder ob es zu neuen Unruhen oder gar einem Putsch kommen wird.

Die Parteigänger der jetzigen Regierung fürchten, dass Thaksins jüngere und politisch unerfahrene Schwester eine Amnestie für den wegen Korruption zu einer Haftstrafe verurteilten Ex-Premier durchsetzen und dessen Rückkehr ins Amt des Regierungschefs ebnen will. Das jedoch wollen die derzeit regierenden "Demokraten" auf jeden Fall verhindern. Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva erklärte im Wahlkampf: "Es ist Zeit, uns des Thaksin-Gifts zu entledigen".

Extreme Gegensätze

Die politischen Lager, die hinter den aussichtsreichsten Spitzenkandidaten - Yingluck und Premier Abhisit - stehen, sind zutiefst verfeindet. Auch wenn im Wahlkampf stets der Wille zur Versöhnung betont wurde, sind viele Beobachter skeptisch. Zu tief sind die Gegensätze zwischen der hauptstädtischen Elite, die hinter Königshaus, Militär und Premier Abhisit steht, und den Bewohnern des armen Nordostens, die in Thaksin ihren Retter sehen.

Die militanten Vertreter der beiden Lager sind die mittlerweile berüchtigten "Gelbhemden" und "Rothemden". Sie sorgten in den vergangenen Jahren für immer wieder aufflammende Unruhen, die im Frühjahr des Vorjahres in der Besetzung des Bangkoker Geschäftsviertels Ratchaprasong durch die Rothemden gipfelten. 90 Tote und fast 2000 Verletzte war die blutige Bilanz der jüngsten Ausschreitungen.

In den Jahren davor hatten die Gelbhemden eine massive Protestwelle vom Zaun gebrochen, die 2008 in der Besetzung der Flughäfen von Bangkok ihren Höhepunkt erreichte. Die Gelbhemden verlangten damals den Sturz der Koalitionsregierung aus mit Thaksin verbündeten Parteien. Diese waren 2007 durch Neuwahlen an die Macht gekommen, die nach dem Putsch gegen Thaksin von der Militärregierung angesetzt worden waren. Durch den Seitenwechsel eines Koalitionspartners zerbrach schließlich die Regierung und der smarte Oxford-Absolvent Abhisit kam ohne Wahlen in sein Amt. Vor allem gegen ihn richtet sich der Zorn der Rothemden.

Gelb, die Farbe des Königs

Die die Farben des Königs tragenden Gelbhemden und die hinter ihnen stehende "Volksallianz für Demokratie" (PAD) wiederum halten wenig von Wahlen im westlichen Sinn. Die PAD affichierte im Wahlkampf Plakate, auf denen ein Affe, ein Hund, ein Krokodil und ein Büffel in Anzügen zu sehen waren. Darunter stand: "Lasst die Tiere nicht aufs Parlament los". Gemeint waren damit die Anhänger Thaksins und der Pheu-Thai-Partei. Die Gelbhemden argumentieren, dass die "ungebildeten" Landbewohner von den Handlangern des Milliardärs Thaksin "gekauft" würden.

Tatsächlich ist der Stimmenkauf in Thailand ein großes Problem. Der Meinungsforscher Sukhum Chaloeysap sagte laut "Bangkok Post", das Phänomen sei diesmal weitaus schlimmer als bei früheren Urnengängen. Damit scheinen auch diesmal zahlreiche Wahlanfechtungen wegen Unregelmäßigkeiten vorprogrammiert. Der "Bangkok Post" zufolge glauben 57 Prozent der Hauptstadtbewohner, dass die unabhängige Wahlkommission nicht in der Lage sein wird, für faire Wahlen in Thailand zu sorgen.

Ein Hauch von Putsch

Yinglucks Pheu-Thai-Partei dürfte zwar die Wahlen gewinnen, fraglich ist, ob sie die absolute Mehrheit im Parlament erhält. Sie wird sich voraussichtlich Koalitionspartner suchen müssen. Eine Große Koalition mit Abhisits "Demokratischer Partei" scheint derzeit aber ausgeschlossen. Welche Regierungskonstellation sich auch ergeben wird, viele Menschen in Thailand befürchten Szenarien wie in den vergangenen Jahren - nämlich dass Gelb- oder Rothemden wieder auf die Straße gehen und Menschen sterben. Auch das Gespenst eines Militärputsches - seit 1932 gab es bereits 17 davon - steht im Raum.

Zwar gab Armee-Oberbefehlshaber Prayuth Chan-ocha die Parole aus, man werde sich unabhängig vom Ausgang der Wahlen in Thailand politisch neutral verhalten. Zugleich jedoch mahnte er die Wähler, für die "guten Leute" zu stimmen - also solche, die die Monarchie schützen und das Land in eine besser Zukunft führen würden. Wen er offensichtlich damit nicht meinte: Die Pheu-Thai-Partei und Yingluck Shinawatra.

Sorge um Bhumibol

Nicht nur die Ungewissheit, was nach den Wahlen passieren wird, macht vielen Thais Sorgen. Zu alledem ist der zutiefst verehrte 83-jährige Langzeitkönig Bhumibol Adulyadei (Rama IX.), das Symbol für die Einheit des Landes, gesundheitlich angeschlagen. Darüber will jedoch kaum jemand öffentlich sprechen. Man könnte sich dem Verdacht der Majestätsbeleidigung aussetzen, auf die drakonische Gefängnisstrafen stehen. Die Anzeigen wegen dieses Delikts sind unter der jetzigen Regierung stark gestiegen. Laut Menschenrechtsaktivisten wird das entsprechende Gesetz häufig benutzt, um politische Gegner zu stoppen. Von 2006 bis 2009 habe es bereits 397 Fälle gegeben.