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Die blutrote Flagge mit dem albanischen Doppeladler knatterte im steifen Wind. "Kosovo muß frei und unabhängig sein", skandierten am Samstag gut 100 Unterstützer der kosovo-albanischen
Untergrundarmee UCK in Rambouillet. Ihre von Bevölkerung und Polizei mißtrauisch beäugte Demonstration bildete die Begleitmusik beim Auftakt der Kosovo-Friedenskonferenz, die fern der jugoslawischen
Unruheprovinz in dem 50 Kilometer südwestlich von Paris gelegenen Ort eröffnet wurde. Drohende Gewitterwolken hatten die Ankunft der ersten Teilnehmer überschattet. Die Natur entsprach der Stimmung,
die über dem "Treffen der letzten Chance" (so der deutsche Außenminister Joschka Fischer) lastete: Düster, unfreundlich und aufgeladen.
Noch kurz vor der geplanten Eröffnung drohte der Konferenz das Scheitern. Denn während in Rambouillet ein Großaufgebot an Sicherheitskräften und Journalisten den verschlafenen 25.000-Einwohner-Ort
aus der Wochenendruhe aufschreckte, fand im fernen Pristina ein erbittertes Ringen um die Ausreise der UCK-Delegation statt. Erst mit mehreren Stunden Verspätung traf sie zu ihrem ersten großen
internationalen Auftritt per Bus im festlich erleuchteten Schloß Rambouillet ein.
Die Wärme des Lichtes aus kostbaren Kristall-Lustern kontrastierte mit der eisigen Atmosphäre bei der ersten Begegnung beider Delegationen. Als Frankreichs Präsident Jacques Chirac sowie die beiden
Vorsitzenden des Treffens, die Außenminister Gruoßbritanniens und Frankreichs, Robin Cook und Hubert Vedrine das Treffen eröffneten, würdigten sich Serben und Kosovo-Albaner keines Blickes. Streng
getrennt saßen sie in zwei Blöcken nebeneinander. Erst später wurden verstohlene Blicke gewechselt.
Cook und Vedrine jedoch werteten es schon als Erfolg, daß die verfeindeten Lager überhaupt in einem Saal zusammentrafen. "Wir haben das erste größere Hindernis bereits überwunden", sagte Cook
erleichtert. "Beide Seiten sind eingeladen und beide sind gekommen, so daß ich annehmen möchte, daß sie unsere Ziele teilen", gab sich auch Vedrine hoffnungsfroh. Doch auch wenn nach Cooks Angaben
Dreiviertel des zu erörternden Abkommens, das eine "substantielle Autonomie für Kosovo" vorsieht, nicht mehr verhandelbar sind und den Delegationen als Verhandlungslösung quasi aufgedrängt werden,
liegen noch immer zahlreiche Stolpersteine vor den Unterhändlern.
Sie gilt es im luxuriösen Rahmen der offiziellen Residenz des französischen Präsidenten auszuräumen. Sieben bis maximal 14 Tage werden nun alle Konfliktparteien im Glanz der Spiegel und vergoldeten
Möbel hinter den hohen Flügeltüren des historischen Gemäuers beraten. Die Kosovo-Albaner schlagen ihr Nachtlager in der ersten, die Serben in der zweiten Etage auf.
Kontakte nach außen sind verboten. Handys mußten abgegeben werden. Im Beratungszimmer selbst wurde ein schlichter, rechteckiger Tisch aufgebaut. Unter den schweren Lustern wandeln die UCK-Vertreter,
die den Kampfanzug mit Polohemd und Blazer vertauscht haben, über diplomatisches und historisches Parkett.
Das einstige Lustschloß des französischen Königshofs diente immer wieder als Begegnungsstätte der Weltpolitik. Den Beginn machte Frankreichs Ex-Präsident De Gaulle, als er 1959 den damaligen
deutschen Kanzler Konrad Adenauer auf das Schloß einlud. Er empfing dort später auch den sowjetischen Staatschef Nikita Chruschtschow. Sein Nachfolger Leonid Breschnjew wurde in Rambouillet 1973 von
Präsident Georges Pompidou und 1975 von Präsident Giscard D'Estaing empfangen. Auf dem Schloß wurde im gleichen Jahr auch die Grundlage für die spätere G-7/G-8 gelegt.