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Durch Blinde sehend werden

Von Manfred A. Schmid

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Die arte-Themenabende stehen ganz oben auf meiner TV-Wunschliste. Neuerdings bekommt der deutsch-französische Kultursender allerdings Konkurrenz. Auch 3sat, das Satellitenfernsehen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ZDF, ORF, SF DRS und ARD, versucht sich mit Erfolg in diesem Metier. Zwei Sendungen standen am Sonntagabend ganz im Zeichen der Sehbehinderung und deren Bewältigung - die deutsche Dokumentation "Die Markus Family" und der Filmessay mit dem beziehungsvollen Titel "Blindnis" mit seinen "Szenen vom Sehen und vom Nicht-Sehen".

Ich habe es bis jetzt eher mit Unverständnis zur Kenntnis genommen, wenn in den Medien von einem blinden Fotografen die Rede war, der inzwischen mit Ausstellungen seiner Arbeiten hervorgetreten ist. Seit ich die Dokumentation "Die Markus Family" gesehen habe, in deren Mittelpunkt der in Frankreich lebende Maler und Skulpturenbauer Markus Weisse steht, beginne ich zu begreifen, dass die Art, wie Sehbehinderte unsere Welt sehen, eine Bereicherung darstellt, dass sie mit ihren synästhetischen Wahrnehmungen unser Gesichtsfeld erweitern und korrigieren können. Und ist es nicht das, worauf es in der Kunst ankommt? Jemand zeigt, dass man die Wirklichkeit auch anders wahrnehmen kann und erschließt so neue Aspekte und Dimensionen von entweder vertrauten oder bislang gänzlich unbekannten Dingen. Dass uns dabei die oft allzu selbstverständlich gewordene Welt auch unheimlich werden kann, ist dabei freilich nicht ausgeschlossen.