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Iran: Atom und Karikaturen stärken Zusammenhalt. | Regime nützt den Nationalstolz. | Nach diesem Wochenende könnte der Westen wieder geschockt sein. Denn wenn am Samstag der 27. Jahrestag der iranischen Revolution begangen wird, der noch dazu diesmal mit einem hohen schiitischen Feiertag zusammenfällt, wird dies für das Regime rund um Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad eine willkommene Gelegenheit sein, um der Welt zu demonstrieren, dass alle Kräfte im islamischen Gottesstaat an einem Strang ziehen.
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Sowohl wegen des schon Monate andauernden Atomkonflikts, dessen friedliche Lösung immer fraglicher erscheint, als auch wegen dem Karikaturenstreit rückt das iranische Volk näher zusammen und lebt ein "neues", stärkeres Nationalbewusstsein aus.
Vor einigen Jahren hat die Mehrheit der Bevölkerung nichts über die Atompolitik gewusst. Jetzt allerdings geht es nicht mehr die Nukleartechnik allein. Die Nutzung der Kernenergie gehört mittlerweile genauso zum Prestige wie das Öl oder der bedingungslose Respekt für den Propheten Mohammed. Die Führung argumentiert: "Wieso sollen Staaten wie Indien, Pakistan und Israel die Kerntechnik nutzen und sogar Atombomben besitzen und die Perser nicht?" Dass solche Parolen Gehör finden, erscheint nur verständlich.
Deshalb werden dem Aufruf vom obersten Revolutionsführer, Ayatollah Ali Khameini, der Welt mittels Demonstrationen am Samstag zu "zeigen, was der Iran wirklich will", auch viele Menschen folgen. Auch diejenigen, die nicht unbedingt Freunde der derzeitigen Führung sind.
Die Aufsehen erregenden und gewalttätigen Demonstrationen waren das Werk nur weniger hundert Fanatiker. Aber ein guter Teil der Iraner wünscht sich zwar nicht unbedingt einen fundamentalistisch-radikalen Islam, begrüßt es aber, wenn die Führung dafür sorgt, dass sich der Iran von der "Sprache der Unterdrückung des Westens" (Zitat eines Diplomaten über den Atomstreit und die Karikaturen) niemals einschüchtern lässt.
Auch die Historie prägt das Bewusstsein mit: Das iranische Volk, aufgrund seiner Geschichte oftmals von außen bedroht, hegt die Sehnsucht nach Sicherheit. Diese spiegelt sich letztlich auch im breiten Verständnis für die Atomtechnologie wider.
Der Gewinner dieses Prozesses, Präsident Ahmadi-Nejad, braucht diese Unterstützung mehr denn je. Seine politischen Gegner sind nach dem Prinzip "in Krisenzeiten gegen den Feind von außen" vorübergehend verstummt, aber nicht von der politischen Bühne verschwunden. Mit seiner offensiven "no-fear" - Politik überrascht er nicht nur den Westen, sondern auch zunehmend die, die ihm zur Macht verhalfen.
Eines ist gewiss: Der Präsident wird auch weiterhin die "Reislamisierung" und "Stärkung des Nationalbewusstseins" forcieren und veranlassen, dass sich am Revolutionstag ein geeinter Iran der Welt präsentieren wird.