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Durch die Afro-Brille

Von Fabian Kretschmer

Politik
Lydia Obute, Austria’s Next Topmodel Siegerin ziert das aktuelle fresh-Cover.
© Fresh/Philipp Horak

Mit "fresh" präsentiert Österreichs Afro-Community ein neues Lifestyle Magazin.


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Wien. Am Mittwochmorgen hält Herausgeber Simon Inou nicht weniger als ein Stück neu gewonnenes Selbstbewusstsein in den Händen: 48 Seiten Hochglanz mit Alltagsthemen und einer Prise afrikanischer Geschichte. "Fresh" heißt das erste afro-österreichische Magazin des Landes, frischen Wind soll es in die Medienlandschaft bringen. Und vor allem: den afrikanischstämmigen Österreichern endlich ein mediales Gesicht verleihen - der vor zwei Jahren zugezogenen Nigerianerin genauso wie dem Simbabwer der zweiten Generation. Inou betont hingegen, dass es in der diversen afrikanischen Diaspora keine übergeordnete Identität gäbe.

"Wir wollen ebenso alle Österreicher ansprechen, die die Welt durch die Afro-Brille sehen möchten", sagt Chefredakteurin Clara Akinyosoye während der Magazinpräsentation über das Konzept von Fresh. Wer dabei an ein weiteres, gutgemeintes Integrations-Medium denkt, könnte nicht falscher liegen: Fresh bietet Modestrecken statt Medien-Ghetto, Hochglanzoptik statt Problemberichterstattung.

Ausschließlich Rassismus-Opfer

Für die erste Ausgabe ließen sich botswanische "Black" Metal Heads ablichten, wurde Wiens erster schwarzer Polizist interviewt sowie zwei Münchner Designer-Schwestern porträtiert, die bayerische Dirndls aus traditionellen afrikanischen Stoffen anfertigen. Ebenso testete die Redaktion die afrikanische Biervielfalt und befragte "Austria´s Next Top Model"- Gewinnerin Lydia Obute über Kosmetikprodukte für Menschen mit dunkler Hautfarbe. Als einzige hard news wird die Geschichte von Angelo Soliman nacherzählt, der einst aus Nigeria kommend im Wiener Hof Berühmtheit erlangte und schließlich im 18. Jahrhundert als "ausgestopfter Mohr" im Kaiserlichen Naturalienkabinett ausgestellt wurde.

In 23 Kaffeehäusern, Restaurants und Afro-Shops in Wien und den Hauptstädten der Bundesländer wird das Magazin auflegen, zweimonatlich erscheinen, vorerst noch gratis und in einer Auflage von achttausend Stück. Presseförderungen wurden bewusst nicht beantragt, sondern beim Geschäftsmodell rein auf den Anzeigenmarkt gesetzt. "Es ist mittlerweile an der Zeit zu schauen, wie österreichische Firmen ihre black communitys wahrnehmen und akzeptieren", sagt Herausgeber Inou.

Als der gebürtige Kameruner 1995 in Graz ankam, galten Afrikaner in den Boulevardmedien noch stets als Drogendealer, und die Krone Zeitung konnte auf ihrer Titelseite ungestraft den nigerianischen Flüchtling Marcus Omofuma verunglimpfen - post mortem, nachdem dieser während seiner Abschiebung von drei Polizisten fahrlässig getötet wurde. Lange ist das her und viel seitdem passiert: "Heute sind die Journalisten sensibler in solchen Fragen, es kommen auch immer mehr Afrikaner in den Medien zu Wort". Als Journalist setzt er sich seit jeher mit der medialen Repräsentation gesellschaftlicher Minderheiten beschäftigt: als Gründer und Chefredakteur von Radio Afrika, das sich damals an die afrikanische Diaspora gerichtet hat. Später versuchte er beim gemeinnützigen Verein M-Media junge Journalisten mit Migrationshintergrund an die Redaktionen des Landes weiterzuvermitteln. Unter anderem leitete er fünf Jahre lang eine wöchentlich erscheinende Integrationsseite bei der Presse.

Noch immer, sagt Inou, seien die afrikanischstämmigen Österreicher in den heimischen Medien ausschließlich Rassismus-Opfer oder Kriminelle. Manchmal würden auch gezielt Positiv-Beispiele herausgepickt - stets mit dem Unterton, eben anders als der Großteil zu sein. Normalität sieht anders aus. Diese Reduktion wird der Wirklichkeit natürlich nicht gerecht, das ist nicht nur Simon Inou bewusst. Da es jedoch nur wenige Blattmacher in der ohnehin überschaubaren Medienlandschaft gibt, die daran etwas ändern, hat Inou wieder einmal selbst das Blatt in die Hand genommen.

Nicht angesprochen von heimischen Medien

In den USA, Großbritannien oder Frankreich gibt es längst etablierte Magazine, die sich an die afrikanische Diaspora richten - und an genau diesen orientiert sich bislang auch der Großteil der Afro-Österreicher der zweiten Generation. Dies untersuchte Inou in einer Umfrage unter 100 Befragten, von denen sich nicht einmal ein Fünftel von heimischen Medien angesprochen fühlt. "Wenn sich Afro-Österreicher vor allem an amerikanischen Werten orientieren, dann haben wir ein Problem", sagt Inou.

Derzeit leben laut Statistik Austria in Österreich rund 45.000 Menschen mit afrikanischem Migrationshintergrund, insgesamt haben rund 1,5 Millionen Österreicher familiäre Wurzeln im Ausland. In den heimischen Redaktionen sind sie immer noch mit rund einem Prozent drastisch unterrepräsentiert.

Ob sich die Macher des Magazins ihrer Integrationsrolle bewusst sind, möchte ein Journalist während der Pressekonferenz wissen - und bekommt eine klare Absage: "Integration ist gar nicht unser Thema, das Thema ist auch eigentlich von gestern", meint Chefredakteurin Akinyosoye. Inou fügt hinzu: "Es ist ein ganz normales Magazin - das Wort Integration wird nicht einmal erwähnt". Mit einer Ausnahme: Sebastian Kurz, Außen-und Integrationsminister, der "fresh" in einem Willkommensstatement als Testimonial unterstützt.