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Sudans Präsident Omar al-Baschir entgeht durch Flucht aus Südafrika gerade noch seiner Auslieferung an den Internationalen Strafgerichtshof.
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Khartum. Wie in einem Krimi verließ Omar al-Baschir sein Hotel in Johannesburg durch die Hintertür, stieg in eine dunkle Limousine ein, die ihn eilig zum Flughafen brachte. Noch bevor ein Gericht in Südafrika darüber befinden konnte, ob der sudanesische Präsident an die Niederlande ausgeliefert werden soll, war er abgeflogen. Am Sonntag noch war ihm die Ausreise verboten worden, Baschir saß in seinem Hotel fest.
Der Oberste Gerichtshof in Pretoria hatte verfügt, der Sudanese dürfe Südafrika nicht verlassen, bis die Richter am Montag eine endgültige Entscheidung getroffen hätten. Doch anscheinend ziehen Regierung und Judikative am Kap nicht an einem Strang. Die sudanesische Präsidentenmaschine hatte bereits den Luftraum Südafrikas verlassen, als die Richter Recht sprechen wollten.
Der in Den Haag ansässige Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hatte 2009 einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Staatschef wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westsudanesischen Provinz Darfur beschlossen. Im Jahr 2010 folgte ein weiterer Haftbefehl wegen Völkermordes in Darfur, wo nach UN-Angaben beim Vorgehen der Armee und verbündeter Milizen gegen Rebellengruppen seit 2003 mehr als 300.000 Menschen getötet worden sind.
Beschädigtes Image
Baschir, der seit 1989 im Sudan an der Macht ist, reist seit Ausstellung der Haftbefehle fast nur noch in Länder, die nicht Mitglied des IStGH sind. Südafrika ist jedoch ein Mitgliedsstaat des Gerichts und demnach verpflichtet, den mit Haftbefehl Gesuchten auszuliefern. Die Regierung in Pretoria beruft sich aber darauf, dass Baschir Gast der Afrikanischen Union (AU) war. Diese erkennt den IStGH nicht an und sieht in ihm eine Diskriminierung afrikanischer Staaten. Der Streit um Sudans Staatsoberhaupt überschattete auch das zweitägige AU-Gipfeltreffen in Johannesburg. Offiziell sollte es dabei um die Stärkung der Rolle der Frauen, die politische Krise in Burundi und die afrikanische Flüchtlingsproblematik gehen. Tatsächlich aber dominierte die Frage: Was wird aus Omar al-Baschir?
Obwohl der Trip nach Südafrika für ihn letztlich glimpflich ausging, ist nun seine Position auch im Inland geschwächt. Ein Präsident, der nirgendwo hinreisen kann, ohne Gefahr zu laufen, verhaftet zu werden, ist für das drittgrößte Land Afrikas problematisch. Zumal Sudan gerade versucht, sich zu öffnen, und mit Europa und den USA bessere Beziehungen anstrebt.
Ein nationaler Dialog zur Beendigung der jahrelangen blutigen Auseinandersetzungen wurde angestoßen, Wahlen im April dieses Jahres sollten eine gewisse Demokratisierung signalisieren. Doch beides klappt mit einem Staatsoberhaupt wie Baschir nicht. Die wichtigsten Oppositionsparteien wollen nicht mit ihm reden und boykottierten auch den Urnengang. Dieser endete erwartungsgemäß mit einem Traumergebnis für den 71-jährigen Ex-General: 94 Prozent der Wähler hätten für ihn und seine Einheitspartei gestimmt, gab die Wahlkommission bekannt. Baschir will nun weitere fünf Jahre im Amt bleiben.
Minister traten zurück
Das wollten aber einige Minister nicht mehr mitmachen, verließen die Regierung und gingen in die Opposition oder zogen sich ins Privatleben zurück. Baschir deklarierte die Austritte als Regierungsumbildung.
Auf das Wahlergebnis angesprochen, erklärt der amtierende Energieminister Mutaz Musa der "Wiener Zeitung": "Es sind 6,5 Millionen Sudanesen wählen gegangen, die fast alle für Baschir gestimmt haben." Diejenigen, die nicht für ihn waren, sind zu Hause geblieben. "So muss man das sehen." Der Sudan hat 38 Millionen Einwohner.
Einer, der trotz jahrelanger Feindschaft nun mit Baschir reden will, ist Hasan at-Turabi. Der Oppositionelle sitzt in einem Stuhl im Empfangszimmer seines Hauses in Khartum, kichert viel und redet ununterbrochen. Er hat sich bereit erklärt, am nationalen Dialog mit seinem ehemaligen Widersacher teilzunehmen, der Turabi mehrmals verhaften ließ, als ihm dieser zu mächtig wurde. Insgesamt 16 Jahre verbrachte der heute 83-jährige religiöse Führer hinter Gittern. "Wenn Diktatoren schwach werden, fangen sie an zu reden", umschreibt der Chef der islamistischen Muslimbruderschaft im Sudan die Motivation des Präsidenten, nun verschiedene Gruppen an einen Tisch holen zu wollen.
Turabi ist zweifellos eine der schillerndsten Figuren im post-kolonialen Sudan. Ein schneeweißer Turban und die lange weiße Galabija - ein langes, hemdartiges Gewand - sind zu seinem Markenzeichen geworden. Mit den Jahren wurde auch sein kurz geschorener Bart weiß. Nur die Augen sind jung geblieben und flitzen flink hin und her, mustern die Gäste und entscheiden dann, welches Spiel heute gespielt wird.
"Wollen keinen Krieg mehr"
"Demokratie und Islam sind kein Widerspruch", sagt der Mann, der maßgeblichen Anteil an der Einführung der Scharia im Sudan hat. "Manchmal kriegt einer, der etwas Böses getan hat, eine Tracht Prügel oder wird ausgepeitscht, dann lassen wir ihn gehen." Käme er ins Gefängnis, wäre er mit anderen Kriminellen zusammen und käme als schlechterer Mensch hinaus, als er hineingegangen sei.
Doch der Sudan müsse sich jetzt öffnen, sich Schritt für Schritt demokratisieren. "Wir wollen keinen Krieg mehr, wir haben genug." Die von den USA wegen der Verbrechen in Darfur verhängten Sanktionen seien verhängnisvoll für die Wirtschaft. Jetzt sei zumindest das Technologie-Embargo aufgehoben worden, Smartphone und iPhone könnten wohl bald funktionieren. "Wir wollen aber keine Facebook-Revolution wie bei unserem Nachbarn Ägypten, sondern eine schrittweise Veränderung." Und schrittweise werde auch Baschir von der politischen Bühne Sudans verschwinden. Turabi zwinkert mit den Augen und bringt die Gäste zur Tür.