Ein simples Wahlergebnis - und schon kommt mehr Bewegung in die verkrusteten Strukturen des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, als es der milliardenschwere Bawag-Skandal je vermocht hatte!
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Natürlich ist der mächtige schwarze Beamten-Gewerkschafter Fritz Neugebauer auch selbst schuld, dass ihn die mehrheitlich roten Delegierten am Mittwoch nicht in den neuen ÖGB-Vorstand gewählt haben. Wer austeilt, muss auch einstecken können - und Neugebauer hat in der Vergangenheit ordentlich ausgeteilt, meist auf Kosten der roten Mehrheitsfraktion. Seine Argumentationslinie, der Durchfaller sei ein parteipolitischer Racheakt gewesen, stimmt daher nur zum Teil.
Für Neugebauer hat die Abfuhr - sieht man von der herben persönlichen Niederlage einmal ab - aber auch etwas Gutes: Ein besseres Argument für eine stärkere Eigenständigkeit der Beamten - die ÖVP-dominierte Teilgewerkschaft - hätte ihm der Rest-ÖGB gar nicht auf dem Tablett servieren können. Immerhin zählt die GÖD dank der überdurchschnittlich hohen Beamten-Gehälter zu den Nettozahlern im finanzmaroden ÖGB und auch der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Staatsdiener lässt andere vor Neid erblassen.
Ein wirkliches Problem hat nun ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer: Die Strukturen des Gewerkschaftsbundes stehen wieder zur Disposition. Die de facto Abspaltung der Beamten wird eine zentrifugale Dynamik entfalten, von der abzuwarten bleibt, ob sich die anderen ihr widersetzen können - und wollen. Immerhin gibt es auch im Lager der roten Teilgewerkschaften massive Einzelinteressen.
Im Kern ungelöst ist auch die Frage der parteipolitischen Schlagseite des ÖGB. Natürlich steht die Überparteilichkeit in den Statuten, aber Papier ist geduldig und auch die Realität spricht eine andere Sprache. Die Verbannung der meisten roten Spitzengewerkschafter aus dem SPÖ-Parlamentsklub hat an der Tatsache nichts geändert, dass die überwiegende Mehrheit der Funktionäre gleichzeitig auch aktive SPÖ-Mitglieder sind. Dies zu bestreiten, hieße den Menschen ein X für ein U vormachen.
Dieser parteipolitische Generalverdacht, unter dem fast alles gewerkschaftliche Handeln - pro-SPÖ im Falle des ÖGB, pro-ÖVP im Falle der GÖD - steht, ist für die Zukunft eine schwere Hypothek: Gewerkschaftliches Engagement steht im Widerspruch zu allzu enger Parteibindung.
In der Aufregung über das Wahldebakel Neugebauers geriet ein Aspekt des "neuen ÖGB" in den Hintergrund: Die neue Gewerkschaftsspitze besteht ausschließlich aus Vertretern geschützter Bereiche: Hundstorfer war sein Leben lang Gemeindebediensteter, Vize-Präsidentin Roswitha Bachner kommt aus der ÖGB-Zentrale und ihr Kollege Norbert Schnedl ist Beamter. Die reale Arbeitswelt draußen schaut anders aus.
Als Fazit bleibt: Die ÖGB-Reform steht keineswegs auf festen Beinen, sondern erst am Anfang.