Landeshauptleute kritisieren den Entwurf zum Verfassungsgesetz, das Asylwerber über Österreich verteilen soll.
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Wien. Nachdem sich SPÖ, ÖVP und Grüne am Montag auf das neue Verfassungsgesetz geeinigt haben, das dem Bund ein Durchgriffsrecht in Asylfragen einräumt, sparten die Landeshauptleute nicht mit Kritik. Das Gesetz soll dem Bund erlauben, in den Gemeinden Bundesquartiere zu errichten, ohne auf Zustimmung der Bürgermeister warten zu müssen. Wenn Länder bei der Erfüllung ihrer Asylquoten säumig sind, kann die Innenministerin Gebäude im Eigentum des Bundes umbauen oder diese als Asylquartiere nutzen. Außerdem kann sie Zelte oder Container aufstellen. Die Aufnahmequote solle mindestens 1,5 Prozent der Bevölkerung einer Gemeinde ausmachen, vornehmlich werde man sich aber auf Gemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern konzentrieren.
Hauptsächlich Länder, die die Asylquote nicht erfüllen, wehren sich gegen den Entwurf. Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) meinte, das Gesetz sei ein "schwerer Eingriff in die Verfassung". Er verstehe aber den Hintergrund des Gesetzes, das bis 31. Dezember 2018 befristet sein soll. Für Peter Kaiser, SPÖ-Landeshauptmann in Kärnten, ist das zu lange. Er forderte erneut eine Befristung des Gesetzes auf ein Jahr. Der Tiroler Landeschef Günther Platter (ÖVP) sieht ähnlich wie Haslauer den Entwurf kritisch, da in die Kompetenzen von Ländern und Gemeinde eingegriffen würde. Sein steirischer Kollege Hermann Schützenhöfer, ebenfalls ÖVP, meinte, er nehme das Durchgriffsrecht zur Kenntnis, man brauche aber eine solidarische europäische Flüchtlingsquote. Im Zuge der Diskussion fordern auch einige der Landeshauptleute wieder stärkere Grenzkontrollen. Haslauer meinte etwa: "Grenzkontrollen sind aus unserer Sicht zur Abschreckung und Bekämpfung der Schlepperei zu überlegen, und dies vor allem dort, wo sie nach Österreich kommen, an den Süd- und Ostgrenzen." Kaiser sieht sie als letztes Mittel. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) empfahl einen Gleichschritt von Deutschland und Österreich in der Causa. Platter warnte davor, "die Schotten dicht" zu machen. Die beiden Innenministerien müssten gemeinsam vorgehen.
Die Länder, die ihre Quote erfüllen, zeigen sich weniger kritisch. Für Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sei das Gesetz "o.k.". Wallner hält das Gesetz zumindest für akzeptabel, auch wenn er es nicht "bejuble", wie er sagte. Auch Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) hält das Durchgriffsrecht für gerechtfertigt. Sein Bundesland erfüllt die Quote aber momentan nur, wenn man das Erstaufnahmezentrum Traiskirchen hinzuzählt. Alev Korun, die für die Grünen beim neuen Gesetz mitverhandelt hat, meint, das würde sich bald ändern. Dem neuen Gesetz zufolge würden nämlich ab 1. Oktober, dem geplanten Inkrafttreten des Verfassungsgesetzes, die obdachlosen Flüchtlingen in Traiskirchen nicht mehr zu der Landesquote gezählt werden. Dann könnten auch in Niederösterreich Bundesquartiere ohne Rückfrage errichtet werden, so Korun.
Indes will Johannes Tschürtz (FPÖ), Vize-Landeshauptmann im Burgenland, das Gesetz mit einer Volksbefragung bekämpfen, Tschürtz bezieht sich auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 1999, wonach bei der gemeinsamen Gesetzgebung von Bund, Ländern und Gemeinden ein Konsultationsgremium einzubeziehen sei. Dieses Gremium hätte unverzüglich einberufen werden müssen, so Tschürtz. Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) gab der Volksbefragung aber schon eine Absage. Gegen das Verfassungsgesetz gibt es keine rechtlichen Möglichkeiten, daher sei er gegen eine solche "Schmähbefragung".
Ähnlich sieht das Verfassungsjurist Heinz Mayer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". "Das hat keinen Sinn", sagt Mayer. Einerseits überlagere ein Verfassungsgesetz die von Tschürtz genannte Vereinbarung, andererseits sei ein Land nicht dafür zuständig, Volksbefragungen über Bundesangelegenheiten durchzuführen. Mayer kritisiert das Verfassungsgesetz selbst aber sehr wohl. Im Gesetzesentwurf ist zu lesen, dass es gegen den Bescheid der Bundesministerin keine Einspruchsmöglichkeiten gebe. "Es rüttelt am rechtsstaatlichen Prinzip, weil es ein Bescheid ist, der offensichtlich bekämpft werden kann", so Mayer. Dennoch werde das Gesetz wohl so kommen, wie es jetzt als Entwurf vorliegt. Der Bundesrat könne seine Zustimmung noch verweigern, dies ist aber sehr unwahrscheinlich. Im Nachhinein könnte der Verfassungsgerichtshof angerufen (VfGH) werden. Auch dieser würde das Gesetz Mayer zufolge aber wohl nicht kippen. Schließlich gibt es im Gesetz Schutzbestimmungen, wonach die Bezirksverwaltungsbehörde das Innenministerium anrufen kann, wenn Festigkeit, Brandschutz, Hygiene, Sicherheit oder Umweltverträglichkeit nicht gewährleistet sind. Bei dem Verfahren, das dadurch in Gang gesetzt wird, kann das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid aufschieben. Mit dieser Bestimmung werde das Gesetz abgemildert und wird wohl auch nicht vom VfGH gekippt werden.