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Durchwurschteln ist kein Zukunftsprogramm

Von Lukas Sustala

Gastkommentare
Lukas Sustala ist Stellvertretender Direktor des Thinktanks Agenda Austria und Projektleiter im Fachbereich "Steuern, Budget und Finanzmärkte".
© Markus Rössle

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Stillstand bedeutet Rückschritt. Wenn man den aktuellen Jahresbericht des Industrieländer-Thinktanks OECD über Österreich liest, dann kann man ihn auf diese Formel reduzieren. Denn einerseits geht es Österreich heute gut, der Wohlstand ist ebenso wie die Beschäftigung hoch. Und der wird abgesichert von vielen wettbewerbsfähigen Unternehmen, ob klein, mittel oder groß. So weit, so gut. Doch wenn die OECD Reformen des Staatsapparats als "kritisch" bezeichnet, ist daraus auch die Frustration abzulesen, dass über lange Zeit in Österreich bis auf das Ablesen von Überschriften wenig passiert ist. Und der Standort zwar nicht "abgesandelt" ist, aber anderswo Herausforderungen von Digitalisierung, Demografie und Globalisierung gerade besser angegangen werden. In Österreich hält man aber auch den Rückwärtsgang für Bewegung, wie etwa die jüngsten Parlamentsbeschlüsse zu den Pensionen gezeigt haben.Sozialpartner und ihre Politiker schwelgen gerne in den Erfolgen der Vergangenheit, die sie für sich beanspruchen. Leider schlafwandelte man aber auf den großen Baustellen Demografie, Integration und Digitalisierung und wurschtelte sich eher durch. Einige wenige Akzente wurden in den vergangenen zwei Jahren gesetzt, aber die nächste Regierung, wie auch immer sie zusammengesetzt sein wird, muss die Zukunftsthemen noch stärker in den Blick nehmen. Wie können die zusätzlichen Ausgaben für Pensionen und Pflege angesichts der Alterung der Gesellschaft geschultert werden ohne die jungen Generationen mit immer neuen Belastungen zu vertreiben? Kommen doch 2030 nur noch 2,8 Erwerbsfähige (zwischen 15 und 64 Jahren) auf jeden Über-65-jährigen, während das Verhältnis im Jahr 2000 noch bei 4,4 zu 1 lag. Dabei ist klar, dass das Pensionssystem nicht davon profitiert, wenn noch schnell schnell vor einer Wahl Milliarden von Euros ausgegeben werden. Andere gut ausgebaute Wohlfahrtsstaaten setzen statt auf Populismus auf einen Mechanismus, um die gestiegene Lebenserwartung auch im gesetzlichen Pensionsantrittsalter abzubilden.Sie wissen, dass Rückschritte in der Nachhaltigkeit des Pensionssystems bedeuten, dass immer mehr Geld für altersbedingte Ausgaben verplant werden muss, zu Lasten anderer Politikbereiche. Für das Bildungssystem zeigen Untersuchungen der OECD, dass der Unterschied zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund bei den wichtigen Kompetenzen wie Lesen in Österreich besonders groß ist. Und weil dort der Grundstein für die innovativen Fachkräfte von morgen gelegt werden, ist das ein Alarmsignal.

Wenn nun also 30 Verhandlerteams die Politik für die nächsten Jahre ausloten, dann sollte ihnen klar sein, dass es nicht um kleine Schritte gehen kann. Wer den Wohlstand hochhalten möchte, muss auch große Ambitionen ansetzen: Für nachhaltigere Pensionen, niedrigere Steuerbelastung des Faktors Arbeit und Bildungs- und Standortpolitik, die das Maximum aus der Digitalisierung holen. Kurzum: Österreich braucht Maßnahmen, um den Standort wieder in die Top 10 zu bringen.Den Rückschritt hatten wir schon.

2030 kommen nur noch 2,8 Erwerbstätige auf jeden Über-65-Jährigen.

So eine Wirtschaft: Die Wirtschaftskolumne der "Wiener Zeitung". Vier Expertinnen und Experten schreiben jeden Freitag über das Abenteuer Wirtschaft.