Zur "Erhöhung der sozialen Treffsicherheit" haben ÖVP und FPÖ im April eine Expertengruppe eingesetzt. Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein sowie Sozialministerin Elisabeth Sickl wurde gestern ein Zwischenbericht vorgelegt. Um Doppelgleisigkeiten künftig zu vermeiden, sollen bis Oktober beschlussfertige Vorschläge auf dem Tisch liegen.
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"Man kann niemandem vorwerfen, das Sozialsystem auszunützen. Damit wird lediglich die strategische Kompetenz bewiesen, die in diesem Land vorhanden ist. Leistungskumulierung ist ein Vorwurf, den man der Politik machen muss." So formuliert der Sozialrechtler Wolfgang Mazal, Leiter der Expertengruppe, den Anspruch, dass Gerechtigkeitsfragen verstärkt artikuliert werden müssten. Er halte es aber für unmöglich, betont Mazal gleichzeitig, Treffsicherheit im Sozialsystem zu erreichen. "Weil man sich gesamtgesellschaftlich über die Ziele nicht einig sein wird."
Um zumindest eine Annäherung der Standpunkte zu erreichen, haben in dem Zwischenbericht 20 Vertreter - von Sozialrechtsexperten bis zu Angehörigen von Non-Profit-Organisationen - Vorschläge präsentiert. Vor allem in der Wohnbauförderung, bei der Unfallversicherung (Stichwort "Schmerzensgeld") und bei der Kumulierung von Pensionen sei die Treffsicherheit "sehr infrage zu stellen". Im Bereich der Familienförderung stünden kostenfreies Studium und Familienbeihilfe einerseits kostenpflichtigen Kindergartenplätzen andererseits gegenüber. "Krasse Defizite" gebe es, berichtete Mazal, im Bereich der Sozialhilfe: Rechtsansprüche würden durch das administrative Prozedere erschwert. Das sei auch ein föderalistisches Problem - eine föderale Struktur sei aber weder "per se schlecht", noch sei eine zentrale Struktur "per se gut". Das System "gehört koordiniert geregelt. Wir dürfen uns nicht einzementieren", appelliert der Arbeitsrechtler. Nun sei es Sache der politischen Entscheidungsträger, klare Aussagen zu treffen.
"Schnellschüsse" sollen nach Ansicht von Minister Bartenstein vermieden werden. Sozialministerin Sickl will bei den Familienleistungen vorsichtig agieren. Das einkommensunabhängige Kinderbetreuungsgeld sei jedenfalls nicht gestorben, sagte sie zur "Wiener Zeitung". Denn Familienarbeit müsse neu bewertet werden.
Vertreter der Opposition, der Gewerkschaften und der Arbeiterkammer befürchten nun einen Sozialabbau.