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Chinas Wirtschaft in Problemen. Japan, Brasilien, Russland in der Rezession.
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Wien. Die dunklen Wolken am Weltwirtschaftshorizont werden zahlreicher: Einerseits köchelt die Griechenland-Krise vor sich hin, gleichzeitig schwächeln die Schwellenländer. Kürzlich kamen starke Turbulenzen auf den chinesischen Finanzmärkten hinzu und nun auch enttäuschende Konjunkturzahlen aus Japan. Braut sich da bereits der nächste Wirtschaftscrash zusammen?
Ein Blick auf die einzelnen Länder erscheint notwendig - insbesondere auf die Schwellenländer, den für die Weltwirtschaft wichtigen Wachstumsmotoren. In Brasilien schrumpft die Wirtschaft, während Südafrika gegen die hohe Arbeitslosigkeit kämpft - sie liegt, wenn man auch Personen hinzuzählt, die aufgegeben haben nach Arbeit zu suchen, bei 35 Prozent. China, einst für seine rasanten Wachstumsraten bewundert, macht aktuell mit rasanten Börsenverlusten Schlagzeilen. Kritiker fühlen sich durch die Abwertung der Währung Yuan darin bestätigt, dass es um die chinesische Wirtschaft schlechter steht, als Peking behauptet. Die afrikanischen Staaten befürchten anderseits bereits heftige Einbußen im China-Geschäft, dem größten Handelspartner des Kontinents.
Sorgen bereitet auch Russland, dessen Wirtschaft in die Rezession geschlittert ist: Sie wird Prognosen der Weltbank zufolge heuer das erste Mal seit 2009 wieder schrumpfen - um rund 3 Prozent. Wie sehr die westlichen Sanktionen dafür verantwortlich sind, ist umstritten. Andere Probleme der russischen Wirtschaft sind aber hausgemacht: So mangelt es ihr an Diversität. Während der Kreml große Staatsunternehmen fördert, fehlt es an Klein- und Mittelunternehmen (KMU), welche sich wirtschaftlichen Veränderungen schnell anpassen können und für Innovationen sorgen. In der EU sorgen KMU im Durschnitt für 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes - in Russland sind es 15 Prozent.
Auch die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft vom Ölexport rächt sich. Einen Preis von 100 Dollar pro Barrel bräuchte Russland, um ein ausgeglichenes Budget zu erreichen - derzeit liegt der Marktpreis für ein Barrel der US-Sorte West Texas Intermediate bei rund 43 Dollar. Eine Trendwende zugunsten Russlands ist in nächster Zeit nicht zu erwarten - im Gegenteil. Laut Weltbank wird die geplante Aufhebung internationaler Sanktionen gegen den Iran den Ölpreis 2016 um weitere zehn Dollar pro Barrel senken.
Etwas unklar erscheint hingegen die wirtschaftliche Lage in Indien, das seine Methoden für die Kalkulation des Bruttoinlandprodukts (BIP) geändert hat und damit eventuell sein Wachstum überbewertet. Laut Angaben der Weltbank wird Indien dieses Jahr mit einer Wachstumsrate von 7,5 Prozent die am schnellsten wachsende Wirtschaft sein.
Laut der amerikanischen Ratingagentur Moody’s hinkt Indien damit trotzdem seinem Potenzial hinterher: Fehlende Reformen würden das Wachstum hemmen, urteilte die Agentur in einem Bericht Ende Juli.
Auch die europäische Wirtschaft scheint nicht wirklich in Schwung zu kommen. Laut einer Eurostat-Schätzung vom vergangenen Freitag wuchs die Wirtschaft in der Eurozone im zweiten Quartal um 0,3 Prozent gegenüber dem ersten Quartal - das geringer als gedachte Wachstum wird auf die wirtschaftliche Schwäche Frankreichs und Italiens zurückgeführt. Ausgerechnet Griechenland überraschte mit einem Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent, während Österreich ein mageres Plus von 0,1 erreichte. Diese Zahlen sprechen nicht für eine baldige Erholung der stagnierenden Wirtschaft Europas.
Es gibt freilich vereinzelte Lichtblicke: Deutschland, Europas größte Volkswirtschaft und wirtschaftliches Zugpferd, bleibt auch in der zweiten Jahreshälfte von 2015 auf Wachstumskurs. "Die Voraussetzungen dafür, dass sich das von der Auslands- wie der Binnennachfrage getragene kräftige Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte fortsetzt, sind aus heutiger Sicht gegeben", heißt es im am Montag veröffentlichten Monatsbericht August der Deutschen Bundesbank.
Robuste US-Wirtschaft
Zweiter Lichtblick ist die US-Wirtschaft. Die größte Volkswirtschaft der Welt zeigt sich aktuell relativ robust. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 5,3 Prozent - im ersten Jahr von Obamas Amtsantritt betrug sie noch zehn Prozent.
Aufgrund des niedrigen Ölpreises bleibt den US-Amerikanern mehr Geld in der Tasche, was wiederum den Konsum ankurbelt. Ob die USA global für Entspannung sorgen können, darf aber bezweifelt werden. Noch ist unklar, wie sich die Abwertung des Yuans und die Turbulenzen am chinesischen Finanzmarkt auf die amerikanische Wirtschaft niederschlagen werden.
Insgesamt hat sich die Bedeutung der USA für die Weltwirtschaft geändert: "Die USA sind schwerlich der Motor der Weltwirtschaft, der sie früher einmal waren", schreibt etwa das "Wall Street Journal".
Mit Spannung wird bereits die nächste Sitzung der amerikanischen Notenbanker am Mittwoch in Washington erwartet und deren Reaktionen auf die Abwertung des Yuans und den weiter sinkenden Ölpreis. Spekuliert wird auch über eine mögliche Zinserhöhung, welche die amerikanische Zentralbank Fed bei ihrer Sitzung Mitte September beschließen könnte - es wäre die erste Erhöhung seit 2007.
Sollten sich die Negativtrends in den restlichen Regionen weiter verstärken, ist die Ausgangslage verglichen mit jener vor der Weltwirtschaftskrise 2008 denkbar schlecht: Die Zinsen bewegen sich längst im Nullbereich, die Rohstoffpreise sind niedrig. Zahlreiche Bankenrettungs- und Konjunkturpakete haben die Staatsschulden in die Höhe getrieben, was weitere Rettungspakete in Milliardenhöhe erschweren wird. Viele Möglichkeiten, einem Abwärtstrend entgegenzuwirken, haben Notenbanker und Politiker deshalb nicht mehr.