Bereits vor 30 Jahren wurde die Ölbranche von einem ähnlich ruinösen Preiskampf erschüttert.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Doha/Wien. An das Jahr 1986 denkt man in der Ölbranche nur mit Schaudern zurück. Damals war der Ölpreis in nur acht Monaten von rund 30 auf 10 Dollar pro Fass abgestürzt, weil die Länder aus dem Öl-Kartell Opec und die nicht darin enthaltenen Staaten mit harten Bandagen um Marktanteile kämpften. Ausgelöst worden war dieser Kampf vor allem durch die Erschließung neuer Förderstellen. In den frühen 1980er-Jahren wurde vor allem in Alaska und in der Nordsee eine neue Quelle nach der anderen angezapft, der zu diesem Zeitpunkt hohe Ölpreis rechtfertigte selbst die extrem teuren Tiefbohrinseln. Saudi-Arabien reagierte auf die neue Konkurrenz mit einer drastischen Ausweitung des Angebots. Das Kalkül dahinter war simpel: Die billiger produzierenden Opec-Länder würden den zu erwartenden Einbruch beim Ölpreis deutlich länger durchhalten als die Amerikaner, Briten und Norweger. Tatsächlich mussten die westlichen Ölfirmen massiv bluten: Die Investitionen wurden um fast ein Viertel zurückgefahren, ein Drittel der Belegschaft verlor ihren Job.
Keine Einigung auf Deckelung
30 Jahre später ist in der Ölbranche die Erinnerung an dieses annus horribilis frischer denn je. Denn nachdem Saudi-Arabien die Produktion hochgefahren hat, um die aufstrebende US-Fracking-Industrie in die Knie zu zwingen, gibt es auch heute viel zu viel Öl am Markt und die Preise sind im Keller. Das Barrel (159 Liter), das Mitte 2014 noch 115 Dollar gekostet hatte, war Ende 2015 nur noch knapp unter 30 Dollar wert und ist seitdem gerade einmal wieder über die 40-Dollar-Marke geklettert. "Es fühlt sich an wie 1986", hatte BP-Chef Bob Dudley bereits vor einigen Monaten geklagt.
Wie schwer sich die großen Förderländer damit tun, den aufgewühlten Markt zu beruhigen, und wie verfahren die Lage ist, hatte sich erst am Sonntag in Katar gezeigt. Dort wollten die Opec-Staaten und Russland eine Deckelung der Fördermenge vereinbaren, mit der der ruinöse Ölpreisverfall nachhaltig gestoppt werden sollte. Doch nach einer fünfstündigen, teils heftig geführten Debatte musste man in der katarischen Hauptstadt Doha bereits das Scheitern des Vorhabens eingestehen.
Teilnehmern zufolge hat vor allem Saudi-Arabien einen wesentlichen Anteil daran gehabt, dass es zu keiner Einigung gekommen ist. So soll das größte Förderland innerhalb der Opec darauf bestanden haben, dass alle 13 Mitglieder des Kartells ihre Produktion einfrieren. Der Iran, der an dem Treffen gar nicht teilgenommen hatte, hatte allerdings bereits im Vorfeld erklärt, hier nicht mitziehen zu wollen.
Dass Teheran sich weigert, seine Produktion zu drosseln, ist allerdings durchaus nachvollziehbar. Der Iran hatte jahrelang unter dem Öl-Embargo gelitten, das infolge des Atom-Streits verhängt worden war. Nun, da die westlichen Sanktionen aufgehoben wurden, will man sich den so sehnlich erhofften Aufschwung nicht gleich wieder durch künstliche Obergrenzen zunichte machen lassen. Die meisten Länder innerhalb und außerhalb der Opec hätten dafür auch Verständnis, sagt der iranische Opec-Gouverneur Hussein Kazempour Ardebilli.
Machtkampf auf allen Fronten
Für die Position des Irans sprechen dabei auch die Zahlen. Mit vier Millionen Barrel pro Tag liegt die in den kommenden Jahren angestrebte Fördermenge bei weniger als der Hälfte dessen, was Saudi-Arabien täglich aus dem Boden holt. Doch um nüchterne Zahlen geht es in dieser Auseinandersetzung ohnehin nicht. Vielmehr ist nun auch die Opec zum Schauplatz für den geostrategischen Machtkampf zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien geworden.
Die Beziehung zwischen den beiden Erzrivalen in der Nahostregion hatten sich zuletzt nochmals verschlechtert. Nach der Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen in Saudi-Arabien und der darauffolgenden Stürmung der saudischen Botschaft in Teheran hatte Riad im Jänner alle diplomatischen Beziehungen abgebrochen.
Entsprechend schwierig dürfte es angesichts dieser Konstellation auch sein, dass sich die Opec in den kommenden Monaten doch noch zu einer Deckelung der Fördermenge durchringt. Die in Doha geäußerte Hoffnung, die Beratungen könnten im Juni fortgesetzt werden, dürfte da also nicht viel mehr als Zweckoptimismus sein.
Auch an den Märkten scheint man nicht mehr an eine rasche Lösung zu glauben. Angesichts der gescheiterten Gespräche verbilligte die richtungsweisende Nordsee-Ölsorte Brent am Montag zeitweise um 7 Prozent auf 40,10 Dollar je Barrel, um sich anschließend bei einem Minus von 3 Prozent einzupendeln. Auch der Dax, der EuroStoxx50 und der Dow Jones notierten tiefer als vor dem Wochenende.
Branchenkennern zufolge könnte es in den kommenden Wochen aber durchaus noch weiter nach unten gehen. Der Analyst Christopher Dembik von der Saxobank hält es etwa für möglich, dass der Preis wieder auf 30 bis 33 Dollar absinkt.
Wie lange die Auswirkungen eines derartigen ruinösen Preiskampfs anhalten können, zeigte das Jahr 1986. Trotz der massiven Sparprogramme und Massenentlassungen dauerte es damals Jahre, bis sich die Lage wieder besserte. Das Vor-Krisen-Niveau von 30 Dollar pro Barrel wurde- abgesehen vom Zwischenhoch während des ersten Golfkriegs - überhaupt erst wieder zur Jahrtausendwende erreicht.
Allerdings unterscheidet sich das Jahr 2016 in einem wesentlichen Punkt vom Jahr 1986. Damals hatte die Opec Bohrinseln im Visier, die nicht nur riesige Mengen an Kapital, sondern auch jahrelange Planungen benötigten. Die wegen des Preiskampfes stillgelegten Bohrlöcher der US-Fracker lassen sich dagegen schnell und günstig wieder in Betrieb nehmen, falls die Preise wieder steigen. Klare Sieger dürfte es daher am Ölmarkt mittelfristig keine geben, entsprechend lang wird der Kampf wohl dauern.