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Duzen Sie mich, sonst sieze ich Dich

Von Mathias Ziegler

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Ein Radiosender ist immer so alt wie seine Hörerschaft. Als Indiz dafür, wie alt diese Hörerschaft eingeschätzt wird, könnte man nehmen, wie sie die Moderatoren ansprechen, ob sie das Publikum also duzen oder siezen. Eine Entscheidung, die vielen eindeutig schwer fällt.


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Was dann bei Sendern wie 88.6 oder Ö3 zu der interessanten Kombination führt, dass beispielsweise zunächst "Sie" dazu aufgefordert werden, dem Moderator etwas zu einem bestimmten Thema zu erzählen oder bei einem Ratespiel mitzumachen - wenn dann aber jemand im Studio anruft, wird er meistens plötzlich mit "Du" angesprochen.

Nur die ganz jugendlichen Sender wie Kronehit oder Energy sind da konsequent. Da bist Du als Hörer nämlich immer ein "Du". Auch wenn es dann manchmal schon ein bissl komisch klingt, wenn man als Wiener auf der Südosttangente im Stau steht und aus dem Autoradio erfährt: "Bei Dir in Vorarlberg ist wieder überall freie Fahrt." Komisch eigentlich, dass die Anrede "Ihr" (also die korrekte Mehrzahl von "Du") nur sehr selten benutzt wird.

Bleibt schlussendlich die Frage: Wie alt muss man eigentlich sein, um nicht mehr "Du", sondern "Sie" zu sein? Und die stellt sich nicht nur beim Radiohören, sondern auch beim Einkaufen, wenn man schon als Jugendlicher von einer etwa gleichaltrigen Verkaufskraft mit "Sie" angesprochen wird. Oder umgekehrt, wenn der Handwerker im Gespräch mit dem Auftraggeber ohne Vorwarnung zum vertraulichen "Du" greift. Der Autor dieser Glosse hat übrigens für unklare Situationen eine eigene Strategie entwickelt: Vermeide Sätze mit direkter Anrede. Das ist zwar oft nicht leicht, aber immer noch besser als ein "Du"-Fauxpas.