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E-Card mit Foto - und großen Tücken

Von Karl Ettinger

Politik

Ausgerechnet bei Ausländern sorgt die im Kampf gegen Sozialmissbrauch gelobte Gesundheitskarte für Kopfzerbrechen.


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Wien. "Durch die Einführung des Fotos auf der E-Card wird unser Sozialsystem gegen Sozialmissbrauch gesichert", verspricht Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Ein Fall aus Tirol, bei dem eine 84-jährige, nicht sozialversicherte Frau die E-Card ihrer Tochter missbräuchlich für Operation und Reha genützt hat und noch dazu Ausländerin war, ist Wasser auf die Mühlen der blauen Ressortchefin. Mit der Einführung des Fotos auf der Krankenversicherungskarte werde, wie die Ministerin hervorhebt, ab 2020 ein FPÖ-Wahlversprechen umgesetzt.

Die Sache hat nur zwei Schönheitsfehler. Die Weichen für ein Foto auf der E-Card wurden schon unter der SPÖ-ÖVP-Vorgängerregierung gestellt. Der gravierendere Haken ist aber, dass - wie Recherchen der "Wiener Zeitung" offenbaren - ausgerechnet jene, bei denen die FPÖ Missbrauch mit der E-Card abstellen will, nach wie vor das größte Kopfzerbrechen bereiten.

Bei Österreichern kann im Regelfall auf Fotos aus Pass oder Führerschein zurückgegriffen werden, nicht aber bei geschätzt 1,6 bis 1,8 Millionen vor allem ausländischen Personen, darunter Asylwerber, anerkannte Flüchtlinge und Saisonarbeitskräfte im Tourismus und in der Landwirtschaft. Ein ungenannt bleiben wollender Fachmann drückt es so aus: "Die Zielgruppe, die man wahrscheinlich im Auge hat, wird man so vermutlich nicht erreichen."

Fixiert ist, dass für die E-Card auf vorhandene Lichtbilder, etwa aus dem Pass- und Führerscheinregister, zurückgegriffen werden kann. Klargestellt ist auch, dass Schwarz-Weiß-Aufnahmen auf die E-Card der Sozialversicherten gedruckt werden. Aber das Drucken der Fotos ist nicht die große Hexerei. Das Problem ist die Foto-Logistik, wie man zu bisher nicht vorhandenen Fotos bekommt. Es muss auch die Identität der Person eindeutig geklärt sein.

Sorge im Innenministeriumüber De-facto-Ausweis

Letzteres ist, wie zu hören ist, vor allem eine große Sorge im Innenministerium um Ressortchef Herbert Kickl. Es gibt Bedenken, dass eine E-Card mit Foto künftig zu einer Art De-facto-Ausweis wird. Dazu kommt eine finanzielle Komponente. Denn das Hochladen der Fotos soll durch das Innenressort übernommen werden, ohne dass dort ursprünglich budgetär dafür vorgesorgt war.

Grundsätzlich ist verpflichtend vorgesehen, dass sich jene Personen, die keinen Reisepass oder Führerschein haben, offiziell registrieren lassen müssen, ein EU-Bürger etwa beim Passamt oder der Landespolizeidirektion. Bei Asylwerbern oder Personen, die diesen Ablauf verweigern, wird es noch schwieriger. Festgelegt ist, dass die Lichtbild-Pflicht auf der E-Card für Kinder ab dem 14. Lebensjahr gilt. Geregelt ist auch, dass nicht alle Sozialversicherten schlagartig mit Jahresanfang 2020 die neue E-Card mit dem Foto vorzeigen müssen. Es wird ein Spielraum zur Umstellung bis zum Jahr 2023 eingeräumt. Hintergrund dafür ist auch, dass die Krankenversicherungskarte schon jetzt in einem Fünf-Jahres-Turnus ausgetauscht werden.

E-Card mit Foto wurde bereits ausgeschrieben und vergeben

Wesentliche Klärungen müssen aber durch die Sozialministerin erfolgen. Eine entsprechende Durchführungsverordnung, in der Ausnahmen für bestimmte Personen wie Bettlägerige von der Foto-Pflicht festgeschrieben werden, ist ausständig. Im Büro von Hartinger-Klein gibt man sich zu allen Details zugeknöpft: "Die E-Card mit Foto wird 2020 kommen. Das ist, was fix ist."

Im Hauptverband der Sozialversicherungen wird an der Umstellung "mit Hochdruck" gearbeitet. Inzwischen ist nicht nur die europaweite Ausschreibung für das Projekt, sondern bereits der Zuschlag erfolgt. Diesen erhielt erneut die Austria Card. Ausschreibung und die nötigen Vorbereitungen waren ein Hauptgrund, warum die E-Card mit Foto nicht wie von SPÖ und ÖVP vorgesehen Anfang 2019 kommt.

Im Zuge der Gegenfinanzierung zur Abschaffung des Pflegeregresses wurde die Reduktion des Missbrauchs von E-Cards durch ein Foto als eine Maßnahme aufgenommen. Ursprünglich wollte der Bund die Kosten von 18 Millionen Euro übernehmen. Im Zuge des Budgetbegleitgesetzes hat die türkis-blaue Koalition den Anteil aber heuer praktisch halbiert.

Experten sehen keine großen Einsparungsmöglichkeiten

Zwar räumen Experten ein, dass ein Foto eine gewisse Präventivfunktion gegenüber Missbräuchen haben werde. Allerdings gilt gerade der Tiroler Fall als Paradebeispiel dafür, dass ein Sozialbetrug durch Mutter und Tochter bei etwas genauerer Kontrolle im Spital schon jetzt hätte verhindert werden können. Denn die letzten sechs Ziffern der Sozialversicherungsnummer geben das Geburtsdatum an. Bei Fotos von Personen aus anderen Kulturkreisen sei es für Mitteleuropäer zudem oft nicht einfach, Menschen auf einem kleinen Foto zu unterscheiden, heißt es.

Generell wird das Trommeln der Variante E-Card mit Foto von Experten als "guter Marketing-Gag" bezeichnet: "100 Millionen Euro wird man sich dadurch nicht einsparen." Dieser Schluss lässt sich auch aus aktuell vorliegenden Daten der Krankenversicherungen ziehen. Die Wiener Gebietskrankenkasse verzeichnete von Jahresbeginn 2017 bis jetzt genau elf bestätigte Fälle von E-Card-Missbrauch sowie einen Missbrauchsversuch, der noch vor der Behandlung entdeckt wurde, wie der "Wiener Zeitung" mitgeteilt wurde. In der niederösterreichischen Gebietskrankenkasse ist für das Jahr 2017 kein einziger Fall einer missbräuchlichen Verwendung der E-Card durch Dritte bekannt. Von 2014 bis 2016 gab es drei Fälle einer missbräuchlichen Verwendung durch Familienmitglieder. Höchster Schaden 2016: 2770,43 Euro.