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E-Learning - eine Gratwanderung zwischen Fortschritt und Verlust

Von Petra Tempfer

Analysen

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Krumme Rücken von schweren Schultaschen - das war einmal. Soll doch ein Schüler seinen Lernstoff künftig auf einem winzigen USB-Stick mit sich herumtragen. E-Learning ist das Zauberwort, das das Aus-Büchern-Büffeln zunehmend ablösen soll. Freilich: Rein gesundheitstechnisch gesehen ist ein Stick mit einem Gewicht im Grammbereich für den Schülerrücken entlastend. Doch bringt E-Learning auch sonst nur Vorteile mit sich?

Ja, sagen jene Lehrer, die es als ihre Aufgabe sehen, digitale Medien in den Unterricht einzubauen. Vor dem Fortschritt darf man sich nicht verschließen - und Computer, Internet und Wikipedia sind ja aus dem Leben eines Kindes oder Jugendlichen ohnehin nicht mehr wegzudenken. Also wird das Lernsystem der Zukunft modern und auf einen Stick erschlankt statt verstaubt und bücherlastig propagiert.

Referate sollen mit Wikipedia-Wissen und Google-Links zusammengestellt und über Power-Point präsentiert werden, während sich Laptop-Lerngruppen den Stoff für die nächste Stunde erarbeiten. Und was machen die Lehrer? Die - so ein weiteres Argument für E-Learning - lehren die Schüler, die Flut an Internet-Informationen zu filtern und zu bündeln.

Ob das tatsächlich immer der Fall ist, sei dahingestellt. Eltern fürchten jedenfalls, dass die Kombination Schüler und Computer Lehrer dazu verleiten könnte, das Internet als unerschöpflichen Wissensvermittler-Ersatz zu sehen - und die Kinder den damit verbundenen Gefahren schutzlos auszuliefern. Indem sie durch den Unterricht zappen wie durchs Fernsehprogramm. Zudem käme durch ständiges Buchstabentippen statt -schreiben die Entwicklung der Feinmotorik zu kurz. Vor allem bei Volksschülern ein unwiederbringlicher Verlust.

Daher die Conclusio von Hirnforschern und Pädagogen: E-Learning sollte gezielt und bei Jüngeren nur in kleinen Dosen eingesetzt werden. Eine Reizüberflutung durch digitale Medien könnte das Gehirn schädigen und zu Konzentrationsstörungen führen.

Die Vision vom Stick als digitale Schultasche ist jedenfalls in greifbarer Nähe, um eine Schultasche mit Stift und Heften kommen aber wohl auch die Schüler der Zukunft nicht herum. Der handgekritzelte Schummler wird ihnen vermutlich ebenfalls erhalten bleiben - als bewährte letzte Rettung, wenn der Lehrer vor dem Test die Handys absammelt.