Früher Jubel, späte Bestätigung. | Städte und Minderheiten entschieden. | Podgorica. "E viva, E viva Montenegro!" - "Es lebe Montenegro!" skandierten die Anhänger der Loslösung von Serbien zum ersten Mal gegen 22 Uhr; Grund dafür war eine erste Hochrechnung der Nicht-Regierungsorganisation Cemi, die den Independisten 56,3 Prozent bescheinigte. Somit sah alles nach einer klaren Sache aus, denn der von der EU vorgegebene Wert von 55 Prozent schien damit klar übertroffen.
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Hupkonzerte, Feuerwerke, tanzende Montenegriner, Fahnenkolonnen in den Städten prägte das Bild. Sie wurden auch nicht durch den Umstand getrübt, dass Cemi wenig später sein Ergebnis sogar auf 55,3 Prozent korrigierte, wobei die statistische Fehlerquote bei 0,4 Prozent lag.
Während die pro-serbischen Kräfte die Hochrechnungen scharf kritisierten, ihre Anhänger aber zu Besonnenheit und Ruhe aufriefen, schwieg die Führung der Befürworter der Unabhängigkeit beharrlich. Erst gegen zwei Uhr früh trat Ministerpräsident Milo Djukanovic vor seine Anhänger und sprach die für Montenegro wohl historischen Worte: "Heute ist durch den Beschluss der Bürger Montenegros der unabhängige und souveräne Staat Montenegro wieder erneuert worden." Die zunehmende Gewissheit, den Sieg errungen zu haben, bestätigte auch die defensive Argumentation des pro-serbischen Blocks. Doch Gewissheit herrschte erst Montag, als die Republikanische Referendumskommission unter Leitung eines slowakischen Diplomaten praktisch den Sieg von Milo Djukanovic bestätigte. In Zahlen betrug der Vorsprung rund 2000 Stimmen.
Emotionen gingen hoch
Gleichzeitig zeigt das Referendum aber auch, wie sehr die montenegrinische Bevölkerung emotionalisiert wurde. So lag die Beteiligung mit mehr als 86 Prozent sehr hoch. Die Ergebnisse in den Städten wiederum sind ein Hinweis darauf, wie sehr die slawische Bevölkerung in der Frage der Loslösung von Serbien gespalten ist. So stimmten in pro-serbischen Gemeinden wie der Küstenstadt Herceg Novi nur knapp 39 Prozent für die Unabhängigkeit, während in der alten Hauptstadt Cetinje mehr als 86 Prozent dafür waren. Eine entscheidende Rolle für den Sieg spielten auch die nationalen Minderheiten wie Albaner (etwa 7 Prozent) und Bosnjaken (etwa 14 Prozent). So stimmten in der albanisch dominierten Küstenstadt Ulcinj mehr als 88 Prozent und in der bosniakischen Hochburg Rozaje sogar mehr als 91 Prozent für die Unabhängigkeit.
Der politische Ausgleich im Inneren, der mit einem Kompromiss über die Durchführung des Referendums begann, muss somit fortgesetzt werden. Beide Lager sind dazu bereit, und das ist ein positives Zeichen für die Stabilität in Montenegro, obwohl der pro-serbische Block das Ergebnis noch nicht offiziell anerkannt hatte.
Auch in Serbien haben sich Ministerpräsident Vojislav Kostunica und Präsident Boris Tadic noch nicht geäußert. Zwar steht die Anerkennung des Resultats außer Zweifel, doch geht es nun darum, die zivile Scheidung etwa bei Diplomatie und Armee möglichst schmerzfrei zu vollziehen. Ähnliches gilt etwa für die Frage der etwa 10.000 Montenegriner, die in Serbien studieren.
Was die Annäherung Richtung EU betrifft, so wird Brüssel nun für Montenegro ein neues Verhandlungsmandat ausarbeiten müssen. Derzeit sind die Gespräche über das Abkommen für Stabilisierung und Assoziation unterbrochen, weil Serbien Ratko Mladic nicht an das Haager Tribunal ausgeliefert hat. Dieser Grund fällt nun weg, und die Gespräche könnten noch vor dem Sommer mit Montenegro weitergeführt werden. Im Herbst soll jedenfalls auch die Aufnahme in die UNO erfolgen, die Montenegro beantragen muss, weil laut Verfassungsvertrag mit Belgrad Serbien Rechtsnachfolger des Staatenbundes ist.
Noch nicht aufgelöst wird jedenfalls die gemeinsame Fußballnationalmannschaft. Sie wird noch unter dem Namen "Serbien und Montenegro" bei der Weltmeisterschaft in Deutschland antreten.
Belgrad gibt das Tempo vor
+++ Vom Fürstentum zur Republik