Muster von Gravitationswellen in der kosmischen Hintergrundstrahlung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien/Cambridge. Wie auf dem berühmten Foto von ihm könnte Albert Einstein wieder die Zunge herausstrecken: "Ätsch - ich habe es gewusst!" Was er in seiner 1916 abgeschlossenen Allgemeinen Relativitätstheorie dargelegt hatte - Gravitations- oder Schwerewellen entstehen stets dann, wenn Massen bewegt werden, und sie dehnen und stauchen den Raum -, fanden Astronomen nun bestätigt.
Es geht um die unvorstellbar rasche Ausdehnung des jungen Universums in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall vor fast 14 Milliarden Jahren. Dieses Phänomen trägt in der Fachwelt der Physiker die Bezeichnung Inflation und wurde bisher nur aus der Theorie postuliert. Mit dem Teleskop "Bicep 2" am Südpol spürte jetzt ein von John Kovac (Harvard-Smithsonian-Zentrum für Astrophysik) geleitetes Forscherteam die Signatur von Gravitationswellen in der kosmischen Hintergrundstrahlung auf.
Diese Hintergrundstrahlung zeigt den Zustand des Universums rund 380.000 Jahre nach dem Urknall. Nun konnten die Forscher darin aber offenbar ein Signal identifizieren, das noch älter ist. Für die heutige Kosmologie stelle die Entdeckung dieses Signals eines der wichtigsten Ziele dar, betonte Kovac. Die neuen Erkenntnisse wurden von der Harvard-Universität in Cambridge (US-Staat Massachusetts) am Montag bekanntgegeben, aber noch in keinem wissenschaftlichen Journal publiziert.
Die Existenz von Gravitationswellen wurde zwar kaum ernsthaft bezweifelt, konnte aber bisher noch nie direkt beobachtet werden. Nun scheint sich das Fahnden der Forscher nach Spuren dieses Phänomens in der kosmischen Hintergrundstrahlung - sie schimmert als Nachglimmen des Urknalls bis heute durch das Universum - gelohnt zu haben. Drei Jahre lang hatten sie zwei Prozent des Himmels beobachtet und wegen der besonders trockenen Luft am Südpol dafür das in der Antarktis installierte Teleskop Bicep 2 verwendet, das Mikrowellenstrahlung aus dem Kosmos erfasst. Damit stießen die Astronomen auf charakteristische Muster von Gravitationswellen, die während der Phase der Inflation vor rund 13,8 Milliarden Jahren entstanden sein müssen, Signale mit der Fachbezeichnung "B-Mode Polarisation". Damit ist zwar kein direkter Nachweis von Gravitationswellen erbracht, die Experten sehen darin aber den ersten direkten Beleg für die kosmische Inflation. An der Entdeckung waren auch Forscher der University of Minnesota, der Stanford University, des California Institute of Technology und der Nasa beteiligt.
Die Entdeckung gestatte einen Blick auf das Universum, als es nicht einmal eine billionstel Sekunde alt war, erläuterte Lawrence Krauss von der Arizona State University, ein an dem Forschungsprojekt nicht beteiligter Experte: "Das ist faszinierend: Wir können zurückblicken zum Beginn der Zeit."
"Nadel im Heuhaufen gesucht, Brechstange gefunden"
"Wir messen ein Signal, das aus der Dämmerung der Zeit kommt", erklärte Jamie Bock vom California Institute of Technology. Und dieses Signal sei deutlich stärker als erwartet ausgefallen. "Es war wie eine Nadel im Heuhaufen zu suchen, aber stattdessen haben wir eine Brechstange gefunden", ergänzte Clem Pryke von der Universität von Minnesota.
Wurden die Daten richtig interpretiert und lässt sich die Entdeckung unwiderlegbar verifizieren, so ist sie ähnlich sensationell wie die Entdeckung des Higgs-Bosons, die 2013 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Dann winkt auch den hier beteiligten Forschern der Nobelpreis. Nicht zuletzt belegen die Daten eine tiefe Verbindung zwischen Quantenmechanik und Allgemeiner Relativitätstheorie.