An den Börsen liegen die Nerven blank. Seit Wochen stehen die Aktienmärkte im Bann der US-Immobilienkrise, die immer weitere Kreise zu ziehen droht und am Ende des Tages auch an der Konjunktur rütteln könnte. Nach den jüngsten Kursverlusten rund um den Globus schon jetzt von einem Börsen-Crash zu sprechen, wäre aber verfrüht.
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Tendenziell geht es derzeit mit den Aktienkursen zwar flott Richtung Süden - in einer Berg- und Talfahrt. Ein größeres Beben ist bisher jedoch ausgeblieben. In den USA ist der Dow Jones, der weltweit am meisten beachtete Börsenindex, gegen über seinem Allzeithoch Mitte Juli um weniger als zehn Prozent abgetaucht. Auch in Europa haben sich die Kurseinbußen nach der fast unheimlich anmutenden Rekordjagd der vergangenen Monate und Jahre in überschaubaren Grenzen gehalten. In Frankfurt und Wien gaben die wichtigsten Indizes (DAX und ATX) bis dato etwas mehr als zehn Prozent ab.
Ein "echter" Crash sieht anders aus. Da müssten die Aktienkurse zumindest um mehr als 20 Prozent einbrechen. Davon sind die Börsen noch weit entfernt. Angesichts der aktuellen Situation sprechen Analysten daher auch lediglich von einer Korrektur, einem reinigenden Gewitter nach der jüngsten Hausse. Viele Investoren sind wegen der schwer einschätzbaren US-Hypothekenkrise um ihre üppigen Kursgewinne besorgt und haben jetzt Kasse gemacht. Das ist mit ein gewichtiger Grund, warum so gut wie alle Börsen zuletzt Federn lassen mussten. Panik oder Hysterie waren dabei freilich nicht zu beobachten.
So wie es scheint, haben die Notenbanken die Probleme am Geldmarkt im Griff. Und das sollte an den Börsen allmählich wieder für Zuversicht sorgen. Am gestrigen Montag hat die Europäische Zentralbank erneut zig Milliarden in den Markt gepumpt, damit die Liquidität im Banken-Sektor nicht austrocknet. Die Situation beginnt sich allmählich zu normalisieren, heißt es dazu seitens der Notenbanker in Frankfurt.
Weil die faulen Häuserkredite aus den USA auf den Schultern vieler internationaler Banken verteilt sind, niemand aber genau weiß auf welchen, hatten sich die Institute geziert, einander Geld zu leihen (aus purer Angst, selbst in eine Schieflage zu geraten). Banken tauschen auf dem Geldmarkt täglich riesige Summen aus, um kurzfristige Engpässe und Überschüsse an flüssigen Mitteln auszugleichen.
Lässt sich die Gefahr einer globalen Kredit-Krise - die fatale Folgen für die Weltkonjunktur hätte - abwenden, haben die Aktienbörsen durchaus gute Chancen auf eine nachhaltige Erholung. Voraussetzung ist jedoch, dass in den kommenden Wochen keine allzu gröberen Probleme mehr aus dem Titel US-Immobilienkredite auftauchen.
Akut geworden sind die Probleme bekanntlich nur, weil sich ein paar wenig betuchte US-Amerikaner ihren Traum von einem eigenen Heim erfüllt haben, obwohl sie es sich finanziell gar nicht leisten konnten.
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