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Die EU geht in der Welt mit gutem Beispiel voran. Statt auf den erhobenen Zeigefinger setzt sie nun auf Marktkräfte.
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Wenn jemand durch einen glücklichen Umstand dem Tod von der Schaufel gesprungen ist, dann ist oft von einem zweiten Geburtstag die Rede. Für unseren Planeten wäre das dann wohl der 18. April 2023. Das haben Sie verpasst? Kein Wunder. Selbst klimapolitische Meilensteine, wie sie das EU-Parlament vor wenigen Wochen eingerammt hat, schaffen es kaum noch durch den Lärm der Klebeprotestanten.
Das ist schade, denn was sich in Straßburg ereignet hat, hätte mehr öffentliche Aufmerksamkeit verdient. Auch wenn es wahrlich keine leichte Kost ist. Was beschlossen wurde, ist leider etwas technisch: Das bestehende Emissionshandelssystem (EHS) wird deutlich verschärft; das betrifft vor allem den Energiesektor und die Industrie. Es kommt außerdem ein separates Handelssystem für die beiden Sorgenkinder Gebäude und Verkehr. Und es wird ein Grenzausgleichsmechanismus eingeführt, der Länder ohne eigenen CO2-Preis in die Klimapolitik der EU hineinzwingt, wenn sie ihre Produkte hier verkaufen wollen.
Lesen Sie noch? Dann gehören Sie wohl zu einer Minderheit. Viel eingängiger ist doch der Zugang der Klimakleber. Schritt eins: Schuldige finden. Schritt zwei: Verbieten. Auf einen groben Klotz gehört eben ein grober Keil. Aktivistische und wissenschaftsbasierte Klimapolitik scheinen inzwischen in völlig getrennten Welten zu existieren. Viele Argumente der Kleber wirken wie aus der Zeit gefallen. Es ist ja nicht so, dass erst seit gestern Umweltschutz betrieben würde. Jahrzehntelang wurden Erfahrungen mit verschiedensten Instrumenten gesammelt, die es längst möglich machen, empirisch zwischen guter und schlechter Klimapolitik zu unterscheiden.
Schon seit den 1980er Jahren wissen wir, dass Verbotspolitik zwar ihr Ziel erreicht, aber eben um ein Vielfaches der eigentlich notwendigen Kosten. Nun könnte man argumentieren, dass die Zeit drängt und Geld keine Rolle mehr spielt. Aber wie setzen wir Klimapolitik auf demokratische Weise um und halten sie dann bis in alle Ewigkeit durch, wenn sie zu viel Wohlstand kostet? Wie widerstehen wir den Verlockungen, die Verbote wieder zu kippen? Die Wirtschaftskammer kann es ja jetzt schon kaum erwarten, die CO2-Steuer wieder abzuschaffen. Und was würde eine FPÖ-geführte Regierung tun?
Die Aktivisten haben dafür eine Lösung: klimakonforme Demokratie. Na schön, so könnten wir das Problem in unserer Wahldemokratie Österreich schon lösen. Aber werden andere Länder dann bereit sein, unsere autoritäre Wohlstandsvernichtungsmaschine nachzubauen? Nein, werden sie nicht. Die Welt hat erkannt, dass eine marktbasierte Klimapolitik, die CO2 wirksam bepreist und die Atmosphäre zu einer begrenzten Ressource macht, das Mittel der Wahl ist. Dass innerhalb des europäischen EHS heute gut 40 Prozent weniger CO2 ausgestoßen wird als noch 2005, hat überzeugt. Weltweit ist der Emissionshandel stark im Kommen. Das größte EHS ist inzwischen übrigens das chinesische. Dass wir diesen Weg nun noch entschlossener weitergehen, ist die beste Nachricht. Nachträglich alles Gute, liebe Erde.