Es gibt keine einfache und billige Lösung, um das Sterben an den Grenzen zu stoppen.
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Der Tod von 27 Migranten vor Calais, die mit Schleppern die Überfahrt nach Großbritannien gewagt haben, hat ein vergleichsweise verhaltenes Echo in hiesigen Medien erhalten. Womöglich wurde die Nachricht von der dramatischen Corona-Lage und der Einigung auf die Ampel in Deutschland an den Rand gedrängt. Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut, auch in Redaktionen.
Die von den Schleppern versprochene Fahrt in ein gelobtes Land endet zu oft mit dem Tod, und dies nicht nur durch Ertrinken, wie Österreich seit den 71 toten Flüchtlingen in einem Lkw weiß. Trotzdem bleibt Ertrinken die weitaus größte Gefahr auf dem Weg in die EU. Neu ist nur, dass nicht mehr nur im Mittelmeer gestorben wird, sondern immer öfter auch im vermeintlich harmlosen Ärmelkanal.
Allerdings ist der Ärmelkanal eine andere EU-Außengrenze als jene, die Griechenland von der autoritären Türkei und den Süden der EU von Nordafrika trennt. Frankreich und Großbritannien waren jahrhundertelang Gegner und sind jetzt seit mehr als hundert Jahren Verbündete und enge Partner. In höchster gemeinsamer Not gab es sogar die kühne Idee, die beiden ältesten Nationen Europas zu einer Union zu schmieden (Jean Monnet, Gründervater der EU, war ihr Urheber). Und sogar an dieser Grenze sterben jetzt Menschen. Der Brexit ist daran nicht ganz unschuldig, weil die Regierung in London glaubt, hier den eigenen Wählern eine harte Haltung schuldig zu sein. Wie fast immer im Leben werden jedoch komplizierte Probleme durch allzu simplen Lösungen nicht gelöst, sondern nur noch größer.
Die dringendste Aufgabe ist es, das Sterben von Menschen auf der Flucht oder auf der Suche nach einem besseren Leben zu verhindern. Illegale Migration zu legalisieren, ist dabei keine Lösung. Der EU muss es gelingen, ihre Außengrenzen zu schützen, das ist die logische Voraussetzung für ein grenzenloses Europa. Doch dazu benötigt es die Zusammenarbeit mit den Staaten und Herkunftsregionen auf der anderen Seite. Ohne deren Mithilfe wird auch der Kampf gegen die Schlepperkriminalität lediglich Lippenbekenntnis und Showpolitik inszenierungsaffiner Innenminister bleiben.
Diese Kooperation der Nachbarn und Herkunftsstaaten wird es für die EU nicht zum Nulltarif geben, sondern Geld und Wege der legalen Migration kosten. Genauso wenig können einzelne Staaten, egal ob EU- oder Ex-EU-Mitglied, so tun, als ginge sie das Migrationsthema nichts oder jedenfalls nur wenig an. Und auf gar keinem Fall sollten die Menschen Politikern glauben, die das Gegenteil behaupten.