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Auflösung des BMWF ist nur ein Vollzug der bisherigen Uni-Politik.
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Wien. Fünf Jahre nachdem das Vereinigte Königreich sein für die Universitäten zuständiges Department mit dem für die Wirtschaft und Unternehmen fusionierte, hat dies nun auch die neue/alte Regierung in Österreich getan. Erstaunlich ist die Aufregung, die dieser Schritt hierzulande hervorrief. Er stellt doch lediglich den unbedeutendsten einer Politik dar, die vor etwa zwei Jahrzehnten eingeleitet wurde. Warum erst jetzt die vielen Befürchtungen?
Als die Fachhochschulen vor zwanzig Jahren eingerichtet wurden, sollten sie die Wirtschaft bedienen: durch für diese maßgeschneiderte Ausbildungsangebote und durch Forschung in Kooperation mit Betrieben. Ihre betriebsähnliche Organisation, Governance und Finanzierung spiegelten diesen Auftrag wider. Heute kann man dieses Ansinnen wohl am besten mittels eines Zitats von Elvis Costello bewerten "It was a fine idea at the time. Now it’s a brilliant mistake." Denn statt damit eine Alternative zu den Universitäten zu schaffen, setzte die Politik in der Folge auf eine zunehmende "Verfachhochschulung" Letzterer. Mit diesem Begriff sollen keineswegs die Leistungen des Fachhochschulsektors abgewertet werden, sondern er soll verdeutlichen, dass der gesamte Hochschulsektor seine vielfältigen Ziele, unter anderem seine sozialisierende und legitimierende für das Gemeinwesen, aufgab, um dem Ziel der Berufsausbildung und der rasch verwertbareren Forschung zu dienen.
Bologna-Prozess forderte Berufsfähigkeit nach Uni
Was die Studien betrifft, so verwendet das Universitätsgesetz 2002 zwar noch den Begriff "Berufsvorbildung", um die Universitäts- von den Fachhochschulstudien abzugrenzen. Aber was hat dies zu bedeuten, wenn seit dem "Gravier"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 1985 Universitätsstudien der Berufsbildung zugerechnet werden, der Bologna-Prozess beide Hochschulsektoren umfasst und von beiden wiederum "Employability", also Berufsfähigkeit, nach einem Bachelor-Studium fordert? Wenn auch national der Ausbildung für den privaten Sektor gegenüber der für den öffentlichen Sektor Vorrang eingeräumt wird? Wenn das vor etwa dreißig Jahren in OECD-Kreisen kursierende Bonmot "Universities have departments, societies have problems" dahingehend ausgelegt wird, dass Disziplinen, also der akademische Ansatz die Welt zu begreifen, von inter-, trans- und ultradisziplinären Ausbildungsgängen abgelöst werden?
Was die Forschung betrifft, so konstatierten bereits 2005 Andreas Schibany und Leonard Jörg in ihrem Bericht "Instrumente der Technologieförderung und ihr Mix", dass in Österreich von den Zuwächsen in den F&E Aufwendungen der öffentlichen Hand zum Großteil der Unternehmenssektor profitiert hätte und forderten "zu überprüfen, inwieweit hier die Balance zwischen kooperationsfähiger Anwendungsforschung und freier Grundlagenforschung noch gewährleistet ist". Nichts dergleichen ist seither passiert: Am 13. Oktober, also acht Jahre nach dieser Empfehlung und zwei Monate vor seiner Ablösung, posierte Minister Töchterle auf der Homepage des Wissenschaftsministeriums mit seinem Nachfolger, dem Wirtschaftsminister, und verkündete, rund 20 Millionen Euro für verstärkte Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zur Verfügung zu stellen.
Forschung aus Neugierde wird marginalisiert
Die Europäische Union unterstützt mit ihrer Programmfinanzierung nicht nur solche außengeleitete Forschung, sondern befördert indirekt auch nationale politische Fantasielosigkeit gekoppelt mit Misstrauen gegenüber den Forschungsinteressen von Wissenschaftlern. "Curiosity driven research", also Forschung, die aus individueller Neugierde unternommen wird und der wir in der Vergangenheit schätzungsweise die Hälfte von Erfindungen und Entwicklungen verdankten, wird so faktisch unterbunden oder bestenfalls marginalisiert. Bedarf es angesichts der dominanten Meinung, die der scheidende Wissenschaftsminister, falls sie ihn gestört hätte, als "scientia ancillae rerum pecuniae" bezeichnen hätte können, eines Wissenschaftsministeriums?
Diese "inhaltliche Verfachhochschulung" der Universitäten wurde durch deren betriebsförmige Umgestaltung begleitet. Die Fachhochschulen sind - durchaus ihrem Bildungsauftrag entsprechend - privatrechtlich organisiert. Die Universitäten dagegen blieben zwar öffentlich-rechtliche Konstrukte sui generis, wurden aber - wie dies manche Autoren nennen - "endogen privatisiert". Zweck der sogenannten institutionellen Autonomie war es, Kompetenzen vom Ministerium an die Universitätsleitungen zu transferieren. Ist daher die Einsparung des Ministeriums nicht lediglich eine verspätete logische Konsequenz? Zumal die Kompetenzverschiebung von den zuständigen Ministern nicht als Verlust, sondern als Erleichterung gesehen wurde - anders ist deren Desinteresse an einer Auseinandersetzung mit der Frage, was heute eine Universität ausmacht und die zögerliche Strategieentwicklung nicht zu erklären. Warum also nun diese Aufregung?
Betrachtet man die kritischen Stimmen, so gewinnt man den Eindruck, dass (von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht der Kurs der vergangenen Regierungen, die Universitäten lediglich als Faktor der Standortpolitik zu sehen, angezweifelt wird. Eher scheint es Wissenschaftspolitikern, -managern und Wissenschaftern (interviewt wurden durchwegs Männer) um den symbolischen Wert und ihr Ansehen zu gehen, wenn sie nicht nur Mitleid mit dem scheidenden Wissenschaftsminister zum Ausdruck bringen. Beides führt zu keiner nachhaltigen Änderung und deswegen dürfte der Wirtschaftsminister den Kurs seines Vorgängers fortführen können.
Zur Person
Elsa Hackl
lehrte am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien, war zuvor als Beamtin im Wissenschaftsministerium unter anderem für den Aufbau des Fachhochschulsektors zuständig.