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Echte rote Gegenmacht

Von Karl Ettinger

Politik

Der Gewerkschaftsbund wappnet sich für den Kampf in Betrieben und signalisiert damit auch Unzufriedenheit mit der SPÖ.


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Wien. Das Mitleid der Hackler, die auf Baustellen gerade in der Sonne schwitzen, und der Kassierinnen im Supermarkt für das neue Leitungsteam im Gewerkschaftsbund (ÖGB) wird sich wohl in Grenzen halten. ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian stellte Ingrid Reischl, die zehn Jahre Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse war, und Willi Mernyi, bisher und auch künftig Bundessekretär der SPÖ-Gewerkschafter, nach einstimmigem Beschluss im ÖGB-Bundesvorstand am Dienstag in Wien als neues Führungsteam der Gewerkschaft vor: "Ich werde dem Team keine große Sommerpause gönnen können", sagte Katzian.

Das liegt daran, dass die Nationalratswahl am 29. September am Kalender steht. Die von der SPÖ-Fraktion dominierte Gewerkschaft ist in der Lebensrealität für die als siamesischer Zwilling bezeichnete SPÖ ein unverzichtbarer Faktor. Das liegt auch daran, dass Katzian ein Jahr nach seiner Wahl zum ÖGB-Chef erkennen musste, dass die Gewerkschaft zwar Großdemonstrationen und Streiks auf die Beine stellen kann, aber weder den Zwölfstundentag noch die Sozialversicherungsreform der türkis-blauen Bundesregierung verhindern konnte.

Die späten Erben des legendären Alfred Dallinger

Auch weil man nicht wisse, welche Bundesregierung es nach der Neuwahl geben werde, wappnet sich der 1,2 Millionen Mitglieder zählende ÖGB, um inhaltlich mehr für das reale Leben der Arbeitnehmer zu tun und als Kampforganisation stärker zu mobilisieren, gab der Gewerkschaftschef als Marschroute vor. Gelegenheit bietet die Kür des Leitenden ÖGB-Sekretärs Bernhard Achitz auf SPÖ-Vorschlag für die Funktion des Volksanwalts ab Juli. Reischl und Mernyi sind engste Mitstreiter Katzians schon seit jungen Jahren in der Gewerkschaft der Privatangestellten, der größten Teilorganisation des Gewerkschaftsbundes.

Auch wenn die inhaltlichen Schwerpunkte erst in einer Woche bei einer Klausur festgelegt werden, sind die roten Leitpflöcke mit den Beschlüssen des ÖGB-Bundeskongresses 2018 gesetzt. Katzians neues Team knüpft beim gewerkschaftlichen Vordenker, dem legendären, 1989 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommenen Ex-Sozialminister Alfred Dallinger an, der in der Privatangestelltengewerkschaft seine Hausmacht hatte.

Gewerkschaft als Antreiberin für linken Kurs

Schon unter Katzian war man bei den Privatangestellten in dieser Tradition Antreiberin der SPÖ auf einem betont linken Kurs bei der Wiedereinführung der Erbschaftssteuer und besonders bei der "Reichensteuer" auf Vermögen ab einer Million Euro. Für SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner war dies hingegen nach ihrem Amtsantritt im November 2018 nicht vorrangig. Während der ÖGB jetzt vehement auf die Erbschaftssteuer zur Finanzierung der Pflege drängt, findet sich diese im Konzept Rendi-Wagners nicht, obwohl sie für eine Finanzierung aus dem Budget eintritt.

Der ÖGB bildet damit auch bei der Pflege das betont linke rote Gegenstück zu ÖVP und FPÖ. Mit Rendi-Wagner wollte Katzian auf Befragen aber keine Vergleiche: "Sie werden mich nicht dazu bringen, dass ich Haltungsnoten über die SPÖ-Vorsitzende verteile."

Klimawandel und die Folgen für den Arbeitnehmerschutz

Weitere Anliegen sind der Anspruch auf die Vier-Tage-Woche und Aktivitäten zum neuen Megathema Klimaschutz. ÖGB und Arbeiterkammer haben schon deutlich gemacht, man werde strenger auf Einhaltung von Hitzeregeln zum Arbeitnehmerschutz achten. Innovativ soll Reischl bei den Plänen sein, damit Unternehmen bei fortschreitender Digitalisierung weiter genügend Beiträge für den Sozialstaat leisten. Mernyi, der ehrenamtlich weiter das Mauthausen-Komitee leitet, war des Öfteren als erdiger SPÖ-Bundesgeschäftsführer im Gespräch. Er war Kopf der Kampagnen und Großkundgebungen der Gewerkschaft. Nachdem Türkis-Blau die Sozialpartner meist links liegen gelassen hat, wolle man künftig "Gegenmacht" sein.

Bemerkenswert offen diagnostizierte Mernyi, wenn hunderttausend Menschen am Heldenplatz demonstrieren, sei das schon eine Botschaft, "aber so richtig weh tut’s nicht". Auch das will er ändern: Der Kampf soll verstärkt in die einzelnen Betriebe verlagert werden, um die Arbeitnehmer zu mobilisieren.