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Kein Gewinn für Privatanleger. | Analysten einig: Bewertung zu hoch. | Paris. Europas größter Energiekonzern Electricite de France (EdF) hat am Montag in Paris nur einen mäßigen Börsenstart geschafft. Die Aktie des Mitinhabers der Energie Steiermark AG (EStAG), die Privatanlegern für 32 Euro und institutionellen Investoren für 33 Euro verkauft wurde, verzeichnete zum Börsendebüt einen Kurs von nur 32,29 Euro, wodurch institutionelle Anleger mit 2,15 Prozent im Minus lagen und die fünf Millionen Privatanleger nur knapp im Plus. In der Folge nahm der Kurs noch weiter ab und erreichte um 15:30 Uhr 32,01 Euro. Die 4,9 Mio. Privatsparer machten daher am Tag der Börseneinführung keinen Gewinn.
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Finanzanalysten waren sich seit Ankündigung dieses größten Börsengangs in der französischen Geschichte, der sieben Mrd. Euro einbringen sollte, einig darin, dass die Bewertung des Energiekonzerns mit 60 Mrd. Euro zu hoch lag. Indem sich das Pariser Finanzministerium mit 33 Euro pro Aktie für das obere Ende der Preisschere entschied, wurden zahlreiche Aktionäre zum Verkauf ihrer Anteile angespornt, um einen raschen Schnitt zu machen.
"Kursabsturz wäre eine Katastrophe"
Schon vor der Börsennotierung am Montagmittag hatten Händler massenhafte Verkaufsaufträge vor allem von Privatanlegern registriert und zunächst Kursverluste von rund 20 Prozent gegenüber dem Ausgabepreis vorhergesagt. In der Folge waren es vor allem die Banken, die durch Ankäufe versuchten, den Kurs hoch zu halten. "Ein Absturz des Kurses wäre eine Katastrophe für den Staat", erklärte Pierre Sabatier, Börsenstratege beim Handelshaus JCF Facset, "denn in dem Fall würden die Privatsparer bei künftigen Privatisierungen nicht mehr mithalten." Dieses zaghafte Börsendebüt steht auf jeden Fall in krassem Widerspruch zu jenem des Energiekonzerns Gaz de France (GdF) im vergangenen Sommer. Die Aktien hatten am ersten Notierungstag 23 Prozent dazu gewonnen, und der Kurs liegt auch heute noch etwa 9 Prozent über dem Ausgabepreis.
Zahlreiche Beobachter warfen Finanzminister Thierry Breton schon in den Monaten vor dem Verkauf von 15 Prozent der EdF-Staatsanteile vor, durch die zu hohe Bewertung des Betriebs der großen Verschuldungsrate und der Überalterung der Atomkraftwerke nicht Rechnung zu tragen. Viele der 58 in Frankreich betriebenen Reaktoren müssen in den nächsten Jahren erneuert werden, was kaum abschätzbare Milliardenkosten für die Entsorgung mit sich führt. Deshalb versah die Pariser Finanzmarktaufsicht den Börsenprospekt des Unternehmens auch mit einer ausdrücklichen Warnung vor den Atom-Folgekosten.
Die 1946 durch die Verstaatlichung fast aller regionalen Energieerzeuger entstandene EdF, die 161.000 Mitarbeiter und 42 Millionen Kunden weltweit Welt zählt, sieht sich demnächst auch mit der Unbekannten der Marktöffnung im Energiesektor konfrontiert.
161.000 Mitarbeiter für 42 Millionen Kunden
Bislang hat der Franzose zwar seine Beteiligungen im Ausland vervielfältig - außer an der EStAG ist EdF auch an der deutschen EnBW, an der italienischen Edison und an Betrieben in Amerika, Asien und Afrika beteiligt -, der französische Binnenmarkt blieb allerdings weitgehend unberührt. Die gegenwärtig noch 27,6 Millionen EdF-Kunden in Frankreich, die einen Marktanteil von 87 Prozent darstellen, sind durch die Konkurrenzöffnung auf jeden Fall dazu bestimmt, in den nächsten Jahren abzunehmen. Der Energiekonzern, an dem der Staat auch weiterhin 85 Prozent hält, kam im vergangenen Jahr auf einen Umsatz von 46,9 Mrd. Euro. Der Gewinn lag bei 1,34 Mrd. Euro. Für dieses Jahr peilt das Unternehmen einen Überschuss von 2,6 Mrd. Euro an.
Stichwort EdF
Die Electricite de France (EdF) ist mit 161.000 Beschäftigten und über 42 Millionen Kunden der größte Stromkonzern Europas. Bisher war die EdF zu 100 Prozent im Staatseigentum. Nach dem jetzt erfolgten Börsegang bleiben 85 Prozent im Besitz der öffentlichen Hand. In Österreich hält die EdF eine Sperrminorität am steirischen Landesenergieversorger Estag. In Deutschland ist sie zu 45 Prozent an der Energie Baden-Württemberg (EnBW) beteiligt, die ihrerseits rund ein Drittel am niederösterreichischen Stromversorger EVN hält.