Karoline Edtstadler wird Sebastian Kurz bei TV-Duellen vertreten. Im Interview schließt sie eine Koalition mit der FPÖ nicht aus, bemängelt aber das fehlende Sensorium mancher FPÖ-Granden, mit rechtsstaatlichen Themen einwandfrei umzugehen.
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Alpbach/Brüssel. Karoline Edtstadler (38) gilt in der türkisen ÖVP als Frau mit vielen Talenten. Im Innenministerium sollte die ehemalige Richterin und Staatsanwältin als Staatssekretärin ein Gegengewicht zum freiheitlichen Minister Herbert Kickl bilden und dennoch die rechte Flanke der ÖVP bei den Themen Sicherheit und Migration abdecken. Als Co-Spitze bei der EU-Wahl Ende Mai errang sie mit 115.000 die meisten Vorzugsstimmen. Erst vor wenigen Wochen rückte Edtstadler an die Spitze der ÖVP-Delegation im EU-Parlament, nachdem Othmar Karas zum Vizepräsidenten gewählt wurde. Für die Zeit nach der Nationalratswahl am 29. September gilt sie nun erneut als heiße Anwärterin für ein Ministeramt. Die "Wiener Zeitung" traf Karoline Edtstadler zum Interview in Alpbach.
"Wiener Zeitung":Hatten Sie großen Erklärungsbedarf in Brüssel in Bezug auf das Ibiza-Video und die Ereignisse danach, die erst zum Platzen der türkis-blauen Koalition und schließlich zur Abwahl der Regierung führte?Karoline Edtstadler: Was es vor allem gab, war enorme Unterstützung für Sebastian Kurz. Dessen Fehlen als Kanzler hat man in der Phase der Verhandlungen über das neue Personalpaket für die Spitze der Union stark gespürt.
Gab es gar niemanden, der gesagt hat: "Wir haben Euch vor einer Koalition mit der FPÖ ja gewarnt"?
Nein, eigentlich nicht. Kurz ist eine Größe auf europäischer Ebene. Und die hat dann einfach gefehlt. Mit ihm wären die Verhandlungen anders gelaufen, das Spitzenkandidatensystem hätte nicht so einfach vom Tisch gewischt werden können.
Am 4. September vertreten Sie Sebastian Kurz im TV-Duell gegen Peter Pilz. Welche Schlüsse sollen die Bürger daraus ziehen, dass eine frischgebackene EU-Abgeordnete so schnell zurück ins innenpolitische Scheinwerferlicht tritt?
Vor allem, dass die Europapolitik endlich im Herzen der Innenpolitik angekommen ist. Aber auch die Tatsache, dass eine Partei wie die ÖVP für unterschiedliche Themen auch unterschiedliche Persönlichkeiten aufbieten kann. Ich war als Staatssekretärin im Innenministerium, Peter Pilz spielt viele Themen aus diesem Bereich. Diese Konstellation macht also schon auch thematisch Sinn. Und natürlich gehört auch dazu, dass ich nicht nur überzeugte Europäerin bin, sondern auch eine Türkise durch und durch, die einen Beitrag leisten will, dass die ÖVP diese Wahl deutlich gewinnt.
In Wien rechnen eigentlich alle damit, dass Sie nach der Wahl zur Ministerin aufsteigen.
Das steht jetzt nicht zur Debatte. Zunächst sind die Wahlen zu schlagen, dann geht es darum, eine neue Regierung zu bilden. Um Personalfragen geht es dabei immer erst ganz am Schluss.
Aber Sie würden zur Verfügung stehen, auch wenn Sie gerade erst ins EU-Parlament eingezogen sind?
Ich habe nie verhehlt, Verantwortung zu übernehmen, wenn ich in der Sache einen Beitrag leisten kann. Aber um jetzt keinen falschen Eindruck zu erwecken: Die Arbeit im EU-Parlament macht mir eine unglaubliche Freude, hier werden tatsächlich entscheidende Weichen gestellt. Das Tolle ist, dass wirklich die Sachpolitik bei der Zusammenarbeit der Fraktionen im Zentrum steht.
Wie tickt die FPÖ? Würden Sie Ihrem ehemaligen Koalitionspartner einen Unbedenklichkeitsausweis in Sachen Rechtsstaatlichkeit ausstellen?
Dazu war für mich der Beobachtungszeitraum zu kurz. Was ich sagen kann, ist, dass bei manchen in der FPÖ das Sensorium, rechtsstaatlich einwandfrei mit bestimmten Themen umzugehen, nicht ausreichend vorhanden ist. Das hat sich auch bei den Ermittlungen zum Ibiza-Video gezeigt, weshalb es für die Beendigung der Koalition aus meiner Sicht auch keine Alternative gegeben hat.
Sollte das dann nicht die FPÖ als Koalitionspartner ausschließen?
Es kommt stark auf die Persönlichkeiten an. Und es ist immer heikel, demokratisch gewählte Parteien von vornherein als Regierungspartner auszuschließen. Entscheidend ist, wer das Sagen hat. Hier gibt es bei der FPÖ viele offene Fragen.
Was erwarten Sie sich von der neuen EU-Kommission in Sachen Migration und Sicherheit?
Zur Hauptsache ein Umdenken in der Migrations- und Asylpolitik, vor allem im Hinblick auf die Dublin-IV-Verordnung, die seit Jahren am Tisch liegt, bei der wir aber nicht weiterkommen. Das Ziel, Asylwerber über alle EU-Staaten zu verteilen, ist gescheitert, wir brauchen hier neue Zugänge.
Klar ist, jeder Staat muss einen Beitrag leisten, aber jeder soll auch maximalen Spielraum haben in der Frage, welchen Beitrag er leisten will oder kann. Das kann die Aufnahme von Flüchtlingen sein, aber auch die Entsendung von Grenzschützern, von Hilfskräften bei humanitären Einsätzen oder Unterstützungszahlungen. Den Menschen soll künftig in sicheren Gebieten außerhalb Europas Schutz vor Verfolgung geboten werden, wo eine rasche Erstabklärung erfolgt, sodass sie erst gar nicht in seeuntüchtige Boote steigen.
Die Rettung von Menschen vor dem sicheren Tod ist unsere Pflicht, menschlich wie rechtlich. Aber das kann nicht die Eintrittskarte nach Europa sein und löst auch das Problem nicht. Im Gegenteil, wie wissen mittlerweile, dass damit selbstverständlich ein Pullfaktor gegeben ist.
Dieser Plan scheitert allerdings daran, dass es nirgendwo einen Staat gibt, der bereit wäre, auf seinem Territorium eine solche Stelle für Asyl-Erstabklärung außerhalb Europas für den Weg in die EU einzurichten.Derzeit nicht, aber das muss ja nicht so bleiben. Ich erwarte mir von der neuen EU-Kommission, dass hier Verhandlungen geführt werden. Wir haben ja bereits Abkommen mit der Türkei, auch mit Libyen, die müssen nun erweitert werden. Das ist schwierig, aber ich sehe keinen anderen Weg.
Selbst wenn das wider alle Wahrscheinlichkeit gelingen sollte, wäre dafür ein einheitliches EU-weites Asylrecht die Grundvoraussetzung. Auch davon ist Europa meilenweit entfernt. Das wird mindestens zehn Jahre dauern.
Ich bin nicht so pessimistisch. Wir haben jetzt schon sieben Rechtsakte für ein einheitliches EU-Asylsystem auf dem Tisch, wo es bereits bei vier Einigkeit gibt. Im Lauf der nächsten fünf Jahre müssen wir hier einen Konsens schaffen. Europa muss sich den großen Fragen widmen, das ist eine davon.
Letzte Frage: Werden Sie im ÖVP-Team für Regierungsverhandlungen sein?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich wurde bisher nicht gefragt.