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EDV-Debakel nimmt kein Ende

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Neuer Testlauf erst 2011 oder 2012. | Fekter kritisiert Projektleiter EU-Kommission. | Brüssel. Bis die EU eine neue Fahndungsdatenbank für die grenzüberschreitende Polizeizusammenarbeit hat, kann es noch Jahre dauern. Dabei sei ein Instrument wie das so genannte Schengen-Informationssystem II (SIS II) im Kampf gegen international tätige Kriminelle dringend nötig, erklärte die österreichische Innenministerin Maria Fekter nach einem Treffen mit EU-Kollegen am Freitag. Im neuen System sollen gesuchte Personen auch anhand biometrischer Merkmale wie Fingerabdrücke gespeichert werden können. Begonnen wurde das Projekt bereits 2002.


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Doch innerhalb von acht Jahren hat es das belgisch-französische Konsortium Hewlett Packard/Steria unter Projektleitung der EU-Kommission nicht geschafft, ein funktionierendes SIS II auf die Beine zu stellen. Immerhin konnten Österreich, Deutschland und Frankreich durchsetzen, dass Innenkommissarin Cecilia Malmström bis Juni einen detaillierten Zeit- und Kostenplan für die Fortführung des Projekts präsentieren muss.

Denn statt wie geplant 2007 ans Netz zu gehen, scheint ein Gelingen des SIS II unsicherer denn je; die Kosten explodieren. Statt der ursprünglich budgetierten 16 Millionen Euro wurden bereits mindestens 80 ausgegeben. Knapp 20 weitere Millionen Euro schlägt die Kommission in einem internen Papier bis 2012 vor. Ein letzter entscheidender Test im März war gegen den Widerstand aus Wien, Berlin und Paris für gelungen erklärt worden. Dabei argumentiere die EU-Kommission juristisch, warum der Probelauf trotz mangelhafter Leistung des Systems positiv bewertet werden könne, kritisierte Fekter. Die Kommission klammere sich vor allem deshalb an das SIS II, um zu verschleiern, dass sie bei der Projektleitung versagt habe, vermutete ein Experte. Doch Malmström sei sich der Brisanz der andauernden Verschleppungen inzwischen bewusst, sagte die Ministerin. Die Schwedin habe das "Schlamassel geerbt".

Zeitplan völlig offen

Der Zeitplan für das System ist derzeit völlig offen. Ein Test unter Praxisbedingungen, der noch vor dem Sommer hätte stattfinden sollen, werde wohl erst 2011 oder 2012 möglich sein, hieß es in Diplomatenkreisen. Zudem nährte sich der Verdacht, dass HP/Steria vor allem auf Zeit spielen könnte. Wie die "Wiener Zeitung" berichtete, arbeitet das Konsortium angeblich bereits an einem komplett neuen und tatsächlich funktionierenden System namens ICD 3. HP/Steria habe den Ernst der Lage erkannt und arbeite jetzt lösungsorientierter, hieß es. Auf Basis des ICD 3 könnten die europäischen Polizeidienste am Ende wirklich die längst überfällige neue Fahndungsdatenbank zur Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität erhalten. SIS II würde so endgültig begraben.