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"Effekte noch nicht feststellbar"

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Frage nach Sinn oder Unsinn der Ambulanzgebühr steht abermals zur Debatte. Der Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, Franz Bittner, zog gestern eine vernichtende Bilanz: Keine der von Regierungsseite erwünschten Auswirkungen - weder Finanzierungs- noch Lenkungseffekt - sei bisher zum Tragen gekommen. Sozialministerium und Gesundheitsstaatssekretariat wollten diese Darstellung relativiert wissen.


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"Ich habe im Jänner 2001 von meinem Internisten erfahren, dass ich Zöliakie habe. Die Diagnose konnte mein in Mödling niedergelassener Internist stellen, aber für die Behandlung überwies er mich in eine Spezialambulanz für Zöliakie ins AKH ..." Oder: "Ich konnte kaum gehen und wurde von meiner Arbeitsstätte ins Hanuschkrankenhaus gebracht ... Bitte Sie meinen Fall nochmals anzusehen. Falls es keine positive Abhandlung geben sollte, müssten Sie bis Ende November Geduld haben, denn ich bin Alleinerzieherin, es ist mir im Moment nicht möglich, die 1.000 S gleich zu bezahlen. Es war Schulanfang..."

Überweisungen überwiegen

Etliche solcher Briefe hat die Wiener Gebietskrankenkasse in den letzten Tagen erhalten. Telefonische Anfragen und Beschwerden häufen sich. Der Grund: Seit April müssen viele PatientInnen einen Behandlungsbeitrag für Ambulanzbesuche leisten. Die ersten Zahlscheine sind nun ausgeschickt.

"Die Menschen beschweren sich nicht über technische Details der Vorschreibung sondern darüber, dass sie für notwendige medizinische Maßnahmen nun zusätzlich zahlen müssen", erklärte Franz Bittner bei der gestrigen "ersten Zwischenbilanz" der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK). Über 37 Prozent der Ambulanzbesuche im 2. Quartal waren gebührenpflichtig, 72 Prozent davon waren Folge einer Überweisung.

Die von der Bundesregierung erwünschten Effekte sind für Bittner jedoch nicht sichtbar. Zum einen betrügen die Einnahmen aus der Ambulanzgebühr - rund 15 Millionen Schilling - lediglich ein Drittel der ursprünglich veranschlagten Mittel. Zum anderen sei der Lenkungseffekt - von den Ambulanzen zu niedergelassenen ÄrztInnen - nicht eingetreten. Vielmehr liege in Gebieten mit hoher Ärztedichte auch die Häufigkeit der Ambulanzbesuche höher.

Haupt: "Sozial verträglich"

Diese Argumentation lassen weder Sozialministerium noch Gesundheitsstaatssekretariat gelten. Der Behandlungsbeitrag Ambulanz sei eine "sozial verträgliche und richtige gesundheitspolitische Weichenstellung", konterte Gesundheitsminister Herbert Haupt via Aussendung. Sozial schwache seien von der Gebühr ebenso ausgeschlossen wie Kinder, Schwangere oder TransplantationspatientInnen. Ein etwaiger Lenkungseffekt, den ebenfalls Ärztekammer-Präsident Otto Pjeta erwartet, könne erst nach einem Jahr beurteilt werden.

Dem schließt sich auch das Gesundheitsstaatssekretariat an. Erst jetzt sei vielen Menschen bewusst geworden, dass sie für Ambulanzbesuche zahlen müssen. Im nächsten Quartal werden sie es sich dann vielleicht nochmal überlegen, hieß es dazu aus dem Büro von Reinhart Waneck auf Anfrage der "Wiener Zeitung". Und was die Mehreinnahmen anbelangt, so seien vor allem die Minderausgaben bei den viel teureren Ambulanzen ausschlaggebend.

Mit seiner Forderung nach Abschaffung der Ambulanzgebühr steht die WGKK jedenfalls nicht allein da. Grüne und SPÖ plädieren ebenfalls dafür. Anders sieht dies wiederum der Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger: Für Herwig Frad ist eine Abschaffung "nicht aktuell".