Zum Hauptinhalt springen

Effektive Infektionsbremse

Von Simon Rosner

Politik

Eine Evaluierung der Ausreisetestpflicht zeigt deren Wirksamkeit. Sie könnten noch zu einer zentralen Maßnahme werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das Corona-Management der Politik mäandert sich durch den Frühling. Ein klares politisches Ziel und eine stringente Strategie sind nicht auszumachen. Das führt in den Bundesländern zu unterschiedlichen Maßnahmen. Das Burgenland hat am Montag den Lockdown beendet. In Vorarlberg kommen dafür Ausreisetests für den Bezirk Bregenzerwald, nachdem dort zahlreiche Infektionen aufgetreten sind. Für ganz Vorarlberg bittet die Landespolitik, auf private Treffen zu verzichten, Falschangaben bei der Kontaktverfolgung werden mit Geldstrafen belegt, die Gastronomie bleibt aber offen.

Ein Grund für die Uneinheitlichkeit ist, dass es an wissenschaftlicher Evidenz für die gegenwärtige Wirksamkeit der Maßnahmen mangelt. Einige von ihnen sind seit Monaten in Kraft und haben sich abgenützt, dazu haben neue Virusvarianten die Rahmenbedingungen verändert. Das führt zu unterschiedlichen Einschätzungen auch von Fachleuten, wie die Fallzahlen kontrolliert und tendenziell nach unten gebracht werden können. Vorsichtige Öffnungen und dafür mehr Tests? Oder doch mehr Verbote?

Ein Team vom Complexity Science Hub in Wien um den Physiker Peter Klimek hat sich die Maßnahme der Ausreisetests angesehen und dabei nachgewiesen: Sie wirken. Die Ergebnisse sind nicht als endgültig zu sehen, Klimek gibt zu bedenken, dass es sich um eine erste Evaluierung handelt, die noch dazu "mit heißer Nadel gestrickt" worden sei. An einer wissenschaftlichen Publikation arbeitet das Team noch, doch man wollte vorab erste Erkenntnisse mitteilen. Nicht zuletzt, um das Mäandern des Corona-Managements wieder in klarere Bahnen zu lenken.

Weniger Mobilität durch Ausreisetests

In Österreich wird in allen Bezirken, die eine Woche lang eine Fall-Inzidenz über 400 aufweisen (Anzahl der Infektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner) eine Ausreisetestpflicht verhängt. Und zwar so lange, bis die Inzidenz zehn Tage lang unter 200 liegt. Das war bisher in 14 Bezirken der Fall, und überall ist es nach fünf Tagen zu einer Abnahme der Inzidenz gekommen, teilweise deutlich und auch in benachbarten Bezirken.

Auffällig ist die Streuung. In Reutte, Bregenz (Leiblachtal) und in Tamsweg war der Rückgang massiv, in Wiener Neustadt war er geringer ausgeprägt. Um die genauen Wirkmechanismen zu verstehen, braucht es weitere Berechnungen. Gibt es einen Unterschied zwischen Aus- und Einpendelregionen? Stadt und Land?

Die Effektivität dürfte jedenfalls nicht nur an den Tests gelegen sein. Die Forscher beobachteten auch eine Mobilitätsreduktion der Einwohner, was generell günstig auf das Infektionsgeschehen wirkt. Einige Länder und Regionen in Europa haben in ihrem Corona-Management auch kurzfristig den Bewegungsradius reglementiert, zuletzt Portugal, das erfolgreich eine Welle in wenigen Wochen fast zum Verschwinden brachte. Österreichs Politik hat bisher davon weitgehend abgesehen, durch den Erlass für Ausreisetests ist es indirekt dazu gekommen - offenbar mit Erfolg.

Ministerium arbeitet an "Adaptierung"

Laut Klimek müsste aber der Erlass sukzessive mit den - zumindest derzeit - sinkenden Infektionszahlen angepasst werden. Die Grenze von 400 hält er mittlerweile für zu hoch. Schrittweise könnte sie nun abgesenkt werden, auf 300, auf 200, auf 100. Damit könnte im Sommer auch eine Niedriginzidenz erreicht werden, also ganz geringe Fallzahlen.

Das Land Niederösterreich hatte zuletzt gefordert, die Schwelle zur Aufhebung der Testverpflichtung auf denselben Wert wie bei der Einführung anzuheben, also von 200 auf 400. Das Gesundheitsministerium bestätigte nur, dass an einer Weiterentwicklung aktuell gearbeitet werde, nicht aber in welche Richtung. Unklar ist auch, ob und wie die nun vorliegende Evidenz einfließen wird.

Relevant könnte die Arbeit von Klimek auch in Richtung Herbst sein. Dann muss wieder mit einem Anstieg der Fallzahlen gerechnet werden. Die fortgeschrittene Impfung sollte zwar die meisten schweren Erkrankungen verhindern, eine Herdenimmunität ist bis dahin aber nicht möglich. Eindämmungsstrategien werden weiterhin notwendig sein, die Bereitschaft dürfte aber geringer sein, wenn die Intensivstationen nicht überquellen.

In Regionen, in denen es zu Infektionsherden kommt, könnten auch bei geringer Inzidenz Ausreisetests wichtig werden. Sie mögen für die Behörden aufwendig in der Organisation und für die Bewohner mühsam sein, stellen aber im Vergleich zu Betriebsschließungen und Kontaktverboten geringere Einschränkungen dar. "Ausreisetests sind eine realistische Option, den nächsten Herbst mit einer regionalisierten Niedriginzidenz-Strategie zu meistern", sagt Klimek.