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EG-Grundsatzverordnung erfordert Neuorientierung

Von Robert Kert*

Wirtschaft

Im Jahr 2002 wurde durch die EG eine Grundsatzverordnung für das Lebensmittelrecht erlassen. Sie stellt für das europäische und für das nationale Lebensmittelrecht einen entscheidenden Einschnitt dar - denn erstmals gibt es auf europäischer Ebene ein umfassendes Lebensmittelgesetz. Aufgrund der Verordnung sind ab 1. Jänner 2005 Teile des österreichischen Lebensmittelrechts nicht mehr anwendbar.


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Schon bisher war das nationale Lebensmittelrecht stark vom Gemeinschaftsrecht beeinflusst. Ausgangspunkt war ursprünglich der freie Warenverkehr, wird dieser doch durch unterschiedliche Regelungen in den nationalen Lebensmittelrechten, etwa darüber, unter welchen Bedingungen ein Produkt in den Handel gelangen darf, behindert. Schon früh haben daher Fragen des Lebensmittelrechts immer wieder den Europäischen Gerichtshof beschäftigt. Die massiven europaweiten Probleme mit unsicheren Lebensmitteln aufgrund von BSE, Rückständen von Antibiotika in Fleisch oder Pestizidrückständen in Gemüse führten dazu, dass sich die einheitliche EG-Gesetzgebung in den letzten Jahren verstärkt dem Schutz der Gesundheit und der Verbraucher vor Täuschung zuwandte.

"from farm to fork"

Die Grundsatzverordnung ist nicht bloß auf Lebensmittel beschränkt, sondern umfasst auch die Produktion, Verarbeitung und den Vertrieb von Futtermitteln. Sie verfolgt daher ein - für Österreich neues - integratives Gesamtkonzept der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit ("from farm to fork"). Mit der Verordnung wurden nicht nur eine Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und ein Schnellwarnsystem für die Meldung von Risiken für die menschliche Gesundheit eingerichtet. Die Verordnung stellt erstmals auf Gemeinschaftsebene allgemeine Anforderungen an die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit auf und regelt die Verantwortlichkeit von Lebensmittel- und Futtermittelunternehmen für sichere Produkte. Das in der Verordnung enthaltene Verbot, "unsichere Lebensmittel" in Verkehr zu bringen, umfasst nicht nur gesundheitsschädliche Lebensmittel, sondern auch solche, die "für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet" sind. Zusätzlich findet sich in der Verordnung ein allgemeines Irreführungsverbot.

Neuer Ministerialentwurf

Die Grundsatzverordnung ist unmittelbar anwendbar. Sie verdrängt widersprechendes österreichisches Recht. Das bisherige österreichische Lebensmittelrecht ist daher ab 1. Jänner 2005 teilweise nicht mehr anwendbar. Die EG-Verordnung enthält jedoch selbst keine Sanktionen für Verstöße gegen die Verbote der Verordnung, weil die EG keine Kompetenz zur Schaffung von Strafrecht besitzt. Die nationalen Gesetzgeber haben nun ihre Gesetze so zu ändern, dass Strafbestimmungen für Verstöße gegen die EG-Lebensmittel-Grundsatzverordnung vorgesehen werden.

Das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen hat vor kurzem einen Ministerialentwurf für ein neues Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz vorgelegt. Er bezweckt die Durchführung der Grundsatzverordnung wie auch anderer in jüngster Zeit erlassener Rechtsakte der EG, wie der neuen EG-Hygiene-Verordnungen und einer Verordnung über amtliche Lebensmittel- und Futtermittelkontrollen.

Der Entwurf zeigt eindrücklich die Probleme für die nationalen Gesetzgeber bei der Durchführung von EG-Verordnungen: Eine Wiedergabe der unmittelbar wirksamen EG-Verordnungen im nationalen Recht ist unzulässig. Andererseits entsteht für den Rechtsunterworfenen eine schwierige Situation, weil aufgrund zahlreicher Verweisungen auf EG-Recht die Bestimmtheit und Übersichtlichkeit des Gesetzes leidet. n