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Eine rekordhohe Zahl von 82 Staaten unterzeichnete am 30. März 2007 im Schoß der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Konvention über die Rechte von Menschen mit einer Behinderung. Zu dieser Zahl auch noch die Europäische Gemeinschaft (EG) hinzugezählt werden, der als regionale Integrationszone gemäß Artikel 44 der Konvention die Signierung ebenfalls offenstand.
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Materiell verankert die Konvention das Prinzip der Gleichstellung der weltweit 650 Millionen Menschen mit einer Behinderung mit Menschen ohne Behinderung. Sie soll Diskriminierungen vermeiden und umfasst zivile, politische, ökonomische, soziale und kulturelle Rechte. Die Konvention sieht die Einsetzung eines "Komitees über die Rechte von Menschen mit einer Behinderung" vor, dem vor allem Überwachungsaufgaben obliegen. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, dem Komitee Berichte über die Umsetzung der Konvention regelmäßig zu melden.
Ein freiwilliges Zusatzprotokoll zur Konvention richtet zwei Verfahren vor dem Komitee ein: ein Beschwerdeverfahren und ein Untersuchungsverfahren.
Anlässlich der Unterzeichnung der Behinderten-Konvention durch die Europäische Kommission als Vertreterin der EG erklärte die Kommission allerdings, dieses Protokoll, das bereits 44 Staaten unterzeichnet hatten, nicht unterzeichnen zu wollen. Grund dafür war der Widerstand Großbritanniens, Dänemarks und Polens, die sich hinsichtlich der rechtlichen Implikationen für den Arbeitsmarkt besorgt gezeigt hatten und befürchteten, durch die Unterzeichnung der Konvention durch die EG ebenfalls an das Protokoll gebunden zu werden.
Durch die Unterzeichnung der Behinderten-Konvention gibt die EG erstmals zu verstehen, Vertragspartner einer Menschenrechtsschutzkonvention werden zu wollen. Das stellt einen veritablen Paradigmenwechsel dar und qualifiziert die EG nunmehr auch zu einer Menschenrechtebeziehungsweise Grundrechte-Gemeinschaft.
Bisher keine Kompetenz
Bisher ging man nämlich davon aus, dass die EG über keine Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge zum Schutz der Menschenrechte verfüge. Diese Feststellung wurde durch das Gutachten 2/94 des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom März 1996 erhärtet, bei dem es um den Beitritt der EG zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ging.
In diesem Gutachten vertrat der EuGH die Meinung, "dass die Gemeinschaft beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht über die Zuständigkeit verfügt, der Konvention beizutreten". Ein solcher Beitritt wäre nur im Wege einer Änderung des EG-Vertrages möglich.
Offensichtlich hat zwischenzeitlich eine grundlegende Weiterentwicklung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts stattgefunden, die es der EG nunmehr erlaubt, einer völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzkonvention beizutreten. Eine große Rolle spielt in dem Zusammenhang die vom "Grundrechte-Konvent" ausgearbeitete und von den drei Organen Europäisches Parlament, Rat und Kommission am 7. Dezember 2000 in Nizza feierlich proklamierte EU-Grundrechtecharta, die zwar nur eine unverbindliche interinstitutionelle Erklärung dieser Organe darstellt, aber immer wieder zitiert wird, als wäre sie bereits verbindlich. Zuletzt zitierte auch der sonst so zurückhaltende EuGH in einem Urteil vom Juni 2006 die EU-Grundrechtecharta als Instrument zur Stärkung des in der EG bereits erreichten Grundrechtsschutzes. Diese innere Verdichtung des Grund- und Menschenrechtsschutzes in der EU ermöglicht nunmehr auch den Abschluss solcher Verträge nach außen mit dritten Staaten.